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Handlungen der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt.
Heue Folge, Heft 55, II.
Die rezenten Kaustobiolithe und ihre Lagerstätten.
Band II:
Die Humus-Bildungen
(1. Teil).
1
Eine Erläuterung zu der von den Deutschen Geologischen Landesanstalten angewendeten Terminologie und Klassifikation.
Von
Dr. H. Potonid,
Kgl. Landesgeologen und Professor.
Zweite, sehr stark erweiterte Auflage von desselben Verfassers »Klassifikation und Terminologie der rezenten brennbaren Biolithe und ihrer Lagerstätten« (Berlin 1906).
Herausgegeben
von der
Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt.
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BERLIN.
Im Vertrieb bei der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt
Berlin N 4, Invalidenstraße 44.
Preis 10 Mark.
Abhandlungen
der
Königlich Preufsischen
Geologischen Landesanstalt.
Neue Folge.
Heft 55, II.
BERLIN.
Im Vertrieb bei der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt
Berlin N. 4, Invalidenstr. 44.
1911.
Die rezenten Kaustobiolithe und ihre Lagerstätten.
Band II:
Die Humus-Bildungen
(1. Teil).
Eine Erläuterung zu der von den Deutschen Geologischen Landesanstalten angewendeten Terminologie und Klassifikation.
Von
Dr. H. Potonie,
Kgl. Landesgeologen und Professor.
Zweite, sehr stark erweiterte Auflage von desselben Verfassers »Klassifikation und Terminologie der rezenten brennbaren Biolithe und ihrer Lagerstätten« (Berlin 1906).
Herausgegeben
von der
Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt.
BERLIN.
Im Vertrieb bei der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt
Berlin N 4, Invalidenstraße 44.
1911.
Inhalts-Übersicht.
Seite
Vorbemerkung . V
Humus-Bildungen (1. Teil) . 1
I. Chemisches über Humus . 3
Humus . 3
Inkohlung und Verkohlung . 20
II. Natürliche Humuslösungen und Niederschläge . 30
1. Schwarz wässer . . 31
2. Dopplerit . 35
3. Ort-Bildungen . 42
III. Humus- Erden . 51
1. Mull- und Moder-Erden . 52
Mull-Erden . 52
Moder-Erden . 66
2. Moor- und Bleicherden . 66
IV. Moder . - . 68
V. Torf . 77
1. Trockentorf . 77
2. Moortorf . 88
Primär allochthone Torfe . 108
Sekundär allochthone Torfe . . 109
VI. Die Moore (Moortorf-Lagerstätten). Allgemeines . 111
Einteilung der Moore nach ihrem Vegetationsbestand . . 135
Wachstum der Moore . 149
1. Flachmoore. Allgemeines . 156
A. Verlandung durch Organismen . 162
Seen . 163
Weiher (Teiche) . 183
Meeresküsten: Gezeitenzone . 185
Profile . 190
B. Flachmoorwiesen. Allgemeines . 194
Sumpfflachmoorwiesen . 203
Standflachmoorwiesen . 210
Flachmoorhypneten . 218
Schwingflachmoorwiesen und Allgemeines über
Schwingmoore und schwimmende Moor-Inseln 225
C. Flachmoorwälder. Allgemeines . 238
Sumpfflachmoorwälder . 243
Standflachmoorwälder . 265
Schwingflachmoorwälder . 275
2. Zwischenmoore. Allgemeines . 279
Birkenmoore . 293
Birken-Kiefernmoore . 299
Zwischenmoor-Nadelwälder . 300
Schluß über Zwischenmoore . 307
Nachtrag . 311
Register . . 312
Vorbemerkung.
Es bestand erst die Absicht, dem ersten Bande nur noch einen II. Band folgen zu lassen. Bei dem Umhin«]!: des Abschnittes über die Humus-Bildungen ziehe ich es jedoch vor, den Gesamtstoff auf 3 Bände zu verteilen. Bd. III erscheint hoffentlich 3 912.
H. P.
Humus-Bildungen.
Humus-Bildungsstätten tinden sich a) auf den Böden und zwar auf trocknen und nassen, b) unter Wasser, c) in den anorganischen Böden. In allen Fällen können die sich zersetzenden oder frischen Pflanzenteile autochthon oder allochthon sein. Die Bildungsstätten können zu Humus-Lagerstätten werden, nicht nur indem sie durch Sedimentation von anorganischem Material zur Einbettung gelangen, sondern auch auf den Böden kann allmählich eine solche xAureicherung von Humus statthaben, daß offene Lagerstätten die Folge sind. Hierher gehören die wichtigsten, weil größten und verbreitetsten unserer heutigen Humuslager: Die Moore. Daß es auch Humus- Vorkommen gibt, die — im Gegensatz zu den Mooren, die autochthon sind — nicht gleichzeitig die Bildungsstätten sind, wo nämlich Pflanzenmaterial oder bereits fertiger Humus einen Transport erlitten hat und zum Wiederabsatz gelangt ist, wurde schon Band I, S. 28 — 30 und 43—44 angegeben. Zu dem dort Gesagten wird in dem vorliegen- den Bande hinten im Abschnitt über allochthone Lagerstätten eine Ergänzung gebracht werden. Von vornherein sei hier schon an- gegeben, daß ein Transport und eine darauf folgende Ablagerung von frischem Pflanzenmaterial usw. als primäre Allochthonie dem Transport und der darauf folgenden Ablagerung von bereits abgelagert gewesenem Kaustobiolith, der ursprünglich autochthon oder primär-allochthon gewesen sein mag, als sekundäre Alloch¬ thonie gegenübergestellt werden soll. Sekundär-allochthone Kau- stobiolithe befinden sich also nicht mehr an primärer Lagerstätte.
Das lateinische Wort Humus (das Erdreich, der Erdboden) wird nicht selten auf jeden durch zersetzte Pflanzen- und Tierreste dunkel gefärbten Boden angewendet. Es sei daher ausdrücklich hervorgehoben, daß unter Humus im wissenschaftlichen
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Neue Folge. Heft 55. II.
2
Humus-Bildungen.
Sinne ausschließlich die Residua der Organismen ver¬ standen werden, sofern es sich um kohlenstoffhaltige, brennbare Produkte handelt, und zwar sind es wesentlich die Residua von Landpflanzenresten — demnach in erster Linie von Kohlen¬ hydraten — , die den Humus bilden. Wesentlich in diesem Sinne haben seinerzeit Einhoff und Thaer den Ausdruck Humus ein¬ geführt.
Bezeichnungen für besondere Fälle. — Auf der Ober¬ fläche zutage liegenden Humus nennt Weinkauf (1900 S. 456, 457) Oberflächenh u m u s, den im Boden zwischen anorganischem, jedenfalls nicht brennbarem Gestein auftretenden Humus Boden¬ humus. — Gr ob hum us nennt Vater (1904, S. 5) einen Humus, der seine ursprünglich organische Struktur noch mehr oder minder dem bloßen Auge erkennen läßt, F einhum us, wo das nicht mehr der Fall ist. Es ist jedoch zu bemerken, daß die Autoren, wie das damals üblich war (vergl. loc. cit. 1904 S. 9 Nr. 18), ursprünglich auch Sapropel zum Humus rechneten. Die Ausdrücke Grob- und Fein-Humus u. a. dürften daher in Zukunft nur in engerem Sinne, d. h. nur auf die Humusgesteine (Humus nach obiger Definition), Anwendung finden. — Bezeichnungen wie unreifer, halbreifer und reifer Humus verstehen sich von selbst.
Der Humus geht aus der Streu hervor. Streu (Streu decke) heißen alle der Zersetzung verfallenden Pflanzenteile des Landes. Unter Waldstreu (Bodenstreu im Gegensatz zu der hier nicht in Betracht kommenden Aststreu) im Sinne der Forstwirtschaft versteht man »die aus abgefallenem Laub, Nadeln und Zweigen, ferner aus Moos, lebenden oder abgestorbenen Forstunkräutern bestehende Waldbodendecke, soweit deren pflanzliche Beschaffen¬ heit noch zu erkennen ist« (Schwappach). Die Streu kann — sofern sie nicht vollständig verwest — Humus formen (ein be¬ sonders gern von P. E. Müller gebrauchter Name) erzeugen, die sich in drei große Gruppen scheiden: in 1. Mull, 2. Moder und 3. Torf. Bevor auf diese Haupt-Humusformen eingegangen werden kann, muß das Nötigste über die Chemie des Humus vor¬ gebracht werden.
I. Chemisches über Humus.
3
I. Chemisches über Humus.
Auf die wesentlichen Unterschiede von Humus und Faul¬ schlamm (Sapropel) wurde bereits in Band I (Die Sapropelite) ausführlich eingegangen. Vergl. dort insbesondere die Gegen¬ überstellung S. 119 — 121. Im folgenden kommen wir daher nur aus besonderen Anlässen darauf zurück.
Humus.
Bei der Humusbildung findet im wesentlichen eine ständige Anreicherung von Kohlenstoff statt. Der Humus ist aus differen- ten Humusstoffen (syn. Mullstoffe) x) zusammengesetzt, deren chemische Charakterisierung jedoch noch aussteht: über das, was diesbezl. seinerzeit G. I. Mulder zusammengefaßt hat* 2), sind wir nicht recht hinausgekommen, jedoch ist ein großer Fortschritt dadurch zu verzeichnen, daß die seit Thomas Graham (1861) jetzt wesentlich weiter entwickelte Kolloidchemie in ihrer Anwen¬ dung auf die Lehre vom Humus wichtige Aufklärungen gebracht hat, denn die Humusstoffe sind nur im Kolloid-Zustand bekannt3). Nach der Terminologie der Lehre von den Kolloiden, die kolloide Lösungen (»Pseudolösungen«) als Sole, kolloide Gallerte als Gele bezeichnet, wären die Humuswasserlösungen
*) Unter »Mull« verstehen wir aber jetzt (vergl. weiter hinten) eine be¬ sondere Humusart.
2) Muldee, Chemie der Ackerkrume. Deutsch von Dr. Johannes Müller. I. Bd., Berlin 1861. II. Abschnitt: Die organischen Bestandteile im Boden S. 308 - 364.
3) Zur Einführung in die Kolloidchemie sind u. a. zu empfehlen: J. M. van Bemmelen, Die Absorption. Gesammelte Abhandlungen über Kolloide und Ab¬ sorption. Dresden 1910 — Wo. Ostwald, Grundriß der Kolloidchemie. Dres¬ den 1909. — Victor Pöschl, Einführung in die Kolloidchemie. 2. Aufl. Dres¬ den 1910. — Paul Rohland, Der kolloide und krystalloide Zustand der Materie. Stuttgart 1910. — Zsigmondy, Uber Kolloid-Chemie. Leipzig 1907. — Sehr beachtenswert ist für uns die Arbeit Süchting’s »Praktische Bedeutung der Che¬ mie der Kolloide für die Moorkultur« (Protokoll der 64. Sitzung d. Zentral-Moor- Kommission Berlin 1910). Sie ist mir leider erst während der Korrektur des vorliegenden Bogens bekannt geworden, so daß ich auf sie im Text nicht mehr Bezug nehmen konnte. Auch sind Süchting’s Angaben zu kurz; es ist eine aus¬ führlichere Darstellung abzuwarten.
I*
4
I. Chemisches über Humus.
H u m us-Hydrosole x), die ungelösten Humusstoffe, also auch die flockigen, gallertigen Humus-Niederschläge Humus-Hydrogele. Wenn man I. homogene Lösungen (wie gelöstes NaCl in H20) von II. heterogenen »Lösungen« unterscheidet, so sind die letzteren weiter zu trennen in 1. Sole von Kolloiden, 2. Emulsoide (z. B. innige Gemische von Wasser mit fettem Öl) und 3. Suspensoide (weitestgehende Verteilung minimalster fester Körper in einer Flüssigkeit). Freilich sind scharfe Grenzen zwischen I. und II. wie 1., 2. und 3. nicht vorhanden.
Der Kolloid-Zustand des Humus wird u. a. durch die folgen¬ den Tatsachen erwiesen.
Humushydrosol geht durch die Membran des Dialysators kaum hindurch; d. h. ihre Diffusions-Geschwindigkeit ist viel kleiner und langsamer als die von KrystalLoiden und ihr osmotischer Druck ist sehr viel geringer.
Bei der Lösung von Humus ist die Gefrierpunkts-Erniedrigung der Lösung gegenüber derjenigen bei der Lösung von Krystalloiden verschwindend klein (oder fehlt?) und das Gleiche gilt für die Siedepunktserhöhung.
Humusstoffe krystallisieren nicht, sondern koagulieren, d. h. gehen unter bestimmten Bedingungen aus dem Sol- in den Gel- Zustand über. Insbesondere findet Koagulation (Gerinnung) bei Zusatz eines Elektrolyten statt, eines Stoffes, dessen wässrige Lösung den elektrischen Strom leitet wie NaCl, HCl usw. In Humussolen nimmt die elektrische Leitfähigkeit mit steigendem Gehalt an Humusstoffen ab.
Humus ist in reinem Wasser quellbar.
Humushydrosol schäumt. Will man das gut beobachten, so nehme man eine nicht zu schwache Lösung.
Humushydrosol zerstreut die Lichtstrahlen, was am leichtesten aus der wenn auch geringen Opalescenz hervorgeht, d. h. daraus,
*) Der Ausdruck »Humussole«, den z. B. Aschan (Die Bedeutung der wasserlöslichen Humusstoffe [Humussole] für die Bildung der See- und Sumpf¬ erze. Zeitschrift für praktische Geologie. Berlin 1907 S. 56) anwendet, bedeutet nur Humuslösung.
I. Chemisches über Humus.
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daß die Lösung bei durchscheinendem Licht anders aussieht als bei auffallendem. Sonst ist zum Nachweis das Ultramikroskop zubenutzen, unter welchem Humushydrosol die ßROWN’sche Bewegung zeigt.
Humus bildet mit Stoffen, die sich im Krystalloidzustand be¬ finden, Absorptions-Verbindungen. Hierüber werden wir uns noch eingehender auslassen ; vorläufig nur folgendes. Mit Rücksicht darauf, daß früher von van Bemmelen Adsorptions- und Absorp¬ tions-Erscheinungen unterschieden wurden, sagt er jetzt (1. c. 1910 S. 409 — 410 x), es sei ein so langsamer Übergang zwischen beiden Prozessen vorhanden, daß es fraglich sei, ob man bei den Gelen nicht Ad- und Absorption annehmen müsse, d. h. Adsorption: Verdichtung von Gasen und Flüssigkeiten in porösen Körpern und auf Oberflächen nicht poröser Körper, oder Absorption: bei der »die Moleküle des absorbierten Stoffes und die Moleküle des absorbierenden Stoffes einander gegenseitig ganz durchdringen«. In den lebenden Pflanzen sind Stoffe im Kolloid-Zustand ganz allgemein vorhanden (Plasma, Cellulose usw.); darauf beruht die Färbetechnik der Histologen, da die Kolloide Farbstoffe absorbieren. Es wäre daher erwägenswert, inwieweit die dunkele Farbe der meisten Humusstoffe nur eine Färbung von Kolloiden sein könnte, die an sich wasserhell oder doch jedenfalls nicht so dunkel sind, wie das Humus üblicherweise ist. Ob gewisse Kolloide der leben¬ den Pflanze sich einfach als Grundbestandteile des Humus erhalten und anreichern, oder ob die Humus-Kolloide erst bei der Zerset¬ zung entstehen, ist auch erst noch festzustellen.
Man nennt üblicherweise H uminstoffe die schwarz gefärbten, Ulm instoffe 2) die braungefärbten Humusstoffe. Ulmifikation
9 Nachdem nunmehr ein Werk vorliegt, daß van Bemmelen’s letzte An¬ sichten kundgibt, sehe ich von den in seinen früheren Abhandlungen zu unserem Gegenstand geäußerten Ansichten ab, so z. B. von der ursprünglichen Fassung seiner Abhandlung »Die Absorptions-Verbindungen und das Absorptions- Vermö¬ gen der Ackererde« (Die landwirtschaftlichen Versuchsstationen 1888, 35. Band S. 69 — 136). van Bemmelen’s Abschnitt in seinem schon zitierten Sammelwerk von 1910 »Die Humussubstanzen« S. 117 u. f. ist so ziemlich das Beste zusam¬ menfassende, was wir Neuzeitliches über die Chemie des Humus haben.
2) Den Namen Ulmin hat Vauqüelin 1797 aufgebracht, der die humusstoff¬ ähnlichen Substanzen an erkrankten Ulmenrinden untersuchte.
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I. Chemisches über Humus.
heißt die UlmiDstoffbildung , Humifikation die Huminstoff- bildung. Da aber die Unterscheidung der Humusstoffe in Humin- und Ulminstoffe gar zu wenig besagt, weil sie vor der Hand nicht weiter charakterisierbar sind, so werden wir für den Prozeß nur von Humusbildung bezw. Humation (Humifizierung -f- Ulmi fizier ung) reden.
Bei der Verwesung und Vermoderung von Pflanzen findet meist zunächst eine schnelle Bräunung statt; Moder ist dann bald schwarz, Torf aber kann — wenn er auch schon lange im Fäulnis¬ prozeß liegt — noch braun sein. An der Luft wird solcber Torf schnell ebenfalls schwarz, jedoch auch durch die weitere Fäulnis (Selbstzersetzung) wird er schließlich schwarz. Man könnte sich daher auch so ausdrücken: torf bildende Pflanzen werden im all¬ gemeinen zunächst eine Ulmifikation, sodann eine lange Humifikation durchmachen. Je nach den Verhältnissen kann einmal das erste Stadium länger oder das zweite fast von vornherein eintreten, wenn nämlich im letzten Falle der Zersetzungsprozeß dem Ver¬ moderungsprozeß sich nähert. Ein und dasselbe Moor kann partiell in verschiedener Weise angegriffen werden. Es ist bemerkenswert, daß sogar Braunkohlen der Tertiärformation oft genug an der Luft schnell nachdunkeln : Die Humifikation würde also äußerst langsam vor sich gehen können. Inwieweit bei diesen Humifikationen eine Oxydation in Frage kommt, ist nicht untersucht. Manche Pflanzenstoffe bräunen sich an der Luft: »Ulmifizieren«. So erinnert z. B. Paul Ehrenberg1) 1. an den Pflanzensaft der Kartoffel, der bei der Stärke-Fabrikation unter Mitwirkung eines Enzyms dunkelt, 2. an die Lackbildung der japanischen Lackwaren- Fabrikation, die unter dem Einfluß eines Enzyms aus einem Pflanzensaft vor sich geht, 3. an den Milchsaft des Mohns und auderer Pflanzen, der sich an der Luft bräunt, 4. an den Nußsaft, der das Gleiche tut. Man könnte 5. auch noch die Bräunung eines angeschnittenen Apfels und vieles Ähnliche aus dem Pflanzen¬ reich hierher rechnen.
b Ehrenberg, Bildung und Eigenschaften der Humussubstanzen, S. 1157 bis 1158 der Chemiker-Zeitung. Cöthen den 1. November 1910.
I. Chemisches über Humus.
7
Es ist öfter versucht worden, Humus, wie er in der freien Natur vorkommt, nämlich Torf künstlich in der Weise herzustellen, daß die Autoren Pflanzenteile in Wasser taten und das Ganze bedeckten. Torf ist aber dabei nicht entstanden1) und das ist durchaus begreiflich, da bei diesen Experimenten in der angegebenen Form das, wenigstens für Flachmoortorf, wichtige Vorstadium der Verwesung und Vermoderung übergangen und nur das Fäulnis¬ stadium geschaffen wurde. Auf die in Band I erwähnten, für die Vertorfung in der Natur üblichen Bedingungen ist daher streng zu achten, wenigstens wenn man bereits im Verlauf kurzer Zeit aus dem Pflanzenmaterial Torf entstehen sehen will, denn die lang¬ same Selbstzersetzung bei von vornherein vorhandenem Luftabschluß kann ein einzelner nicht ab warten: könnte er’s, so würde er wohl auch hier Torf erhalten. Wenn die von mir in Band I in dem Kapitel über die Zersetzungsprozesse angegebenen Bedingungen richtig sind und hinreichen, muß sich aber künstlicher Torf leicht in kurzer Zeit hersteilen lassen. Ich habe daher ein diesbezüg¬ liches Experiment angesetzt, bei dem eine möglichste Nachbildung der natürlichen Bedingungen versucht wurde. Bei meinem Stand¬ punkte, daß es besondere torfbildende Pflanzen nicht gibt, sondern alle Landpflanzen dazu befähigt sind, habe ich ganz beliebige im Herbst abgefallene Blätter, also »Streu«, zunächst etwas liegen lassen, wechselnd einmal unter nassen, dann unter nur feuchten, dann wieder unter fast lufttrocknen Verhältnissen; ich habe also die Bedingungen geschaffen, wie sie die Streu auf der Boden¬ oberfläche von Mooren vorfindet, oder wie die Streu die ins Wasser fällt, wo sie, so lange wie sie schwimmt, an der Oberfläche des Wassers mit der Atmosphäre in Berührung ist. Die so vorbereitete Streu wurde sodann in ein Glasgefäß von Stubenaquariumgröße getan und mit Wasser begossen, so daß sich das Material fast ganz unter Wasser befand. Nach Maßgabe der Verdunstung des Wassers wurde dann Wasser nachgegossen, jedoch nicht regel¬ mäßig, damit ein wechselnder Wasserstand wie auf den Mooren
l) Yergl. z. B. Adolf Mayer, Bodenkunde 5. Aufl. Heidelberg 1901 S. 72 Anmerk.
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I. Chemisches über Humus.
in der freien Natur erreicht werde. Im Sommer wurde das Glas¬ gefäß ins Freie gestellt, um nunmehr dem Regen den Ersatz des verdunsteten Wassers zu überlassen. In das Gefäß wurden einige vollständig humusfreie Gräser gesetzt ( Agrostis , Poa annua) und auch Agrostissamen gesät, um eine Durchwurzelung wie in der Natur zu erreichen. Eine absolute Stagnation ist an den Stellen,, wo Torf in der freien Natur entsteht, nicht der übliche Zustand. Eine Wasserbewegung — mag sie auch noch so gering sein — ist doch fast immer vorhanden und auch die unterirdischen Organe der den Torf bewohnenden Pflanzen bedingen in diesem, besonders infolge ihres meist lakunösen Baues, eine zwar sehr untergeordnete und für viele Pflanzenarten ganz unzureichende, aber doch vor¬ handene Durchlüftung, die bei Flachmooren und Zwischenmooreu zur Anregung von Vermoderungsprozessen genügen mag, so daß dann die weitere Zersetzung in Richtung der Torfbildung schneller vor sich geht. Unter den angegebenen Bedingungen — und das sind diejenigen der Vertorfung in Flachmooren — habe ich denn auch aus dem ursprünglich gänzlich humusfreien Material in der Tat Torf erhalten. Sehr schnell färbte sich in dem Glasgefäß das Wasser braun. Die gelösten bezw. löslichen Humusstofle ver¬ hielten sich z. B. gegenüber Ammoniak oder Lio CO^-Lösuug einer- seits und HCl andererseits genau wie die der freien Natur (vergl. hierüber wreiter hinten) usw. An gesetzt wurde das Experiment im Sommer- Ausgang 1909, jetzt Dezember 1910 ist ein Torf vorhanden, der sich in keiner Weise von unserem üblichen Flachmoortorf unterscheidet, nur daß absichtlich andere pflanzliche Urmaterialien benutzt wurden, um auch gleichzeitig zu zeigen, daß aus allen Pflanzen unter den entsprechenden Bedingungen Torf werden kann. In den ersten Wochen roch das angesetzte Material sehr un¬ angenehm, im Herbst 1910 jedoch unterschied es sich schon in keiner und auch in der eben angegebenen Beziehung in keiner Weise vom Flachmoortorf. Der Geruch ist der von reifem Flach¬ moortorf.
Mehrere Autoren haben die Humusstofle für Produkte niederer
I. Chemisches über Humus.
9
pflanzlicher Organismen gehalten1). Hugo Fischer2) erwähnt die vier altbekannten, an abgestorbenen Pflanzenteilen häufigen Hypho- myceten Älternaria tenuis Nees, Macrosporium commune Rabh., Eorniodendron cladosporioides Sacc. und Cladosporium lierbarum Link, indem er über diese sagt: »Sie gehören alle vier zu der dunkelfarbigen Gesellschaft der Dematiaceen, und es dürfte meine Vermutung nicht fehlgehen, daß wir in solchen die zurzeit noch unerkannten Erzeuger der ja ebenfalls dunkelfarbigen Humusstoffe zu sehen haben«. Es mag oder kann sein, daß die genannten und andere Pilze in der freien Natur die Humusbildung oft einleiten oder unterstützen und befördern, aber sie ist gewiß nicht unbedingt von dem Vorhandensein dieser Organismen abhängig, denn die Seeklima-Hochmoortorfe z. B. zeigen eine Humation oft erst in einer beträchtlichen Tiefe bis zu mehreren Metern, wo keinerlei lebende Pilze, auch keine Bakterien mehr Vorkommen.
In einem Humus wurde früher der unlösliche Teil der Humus¬ stoffe (früher öfter als Humus ko hie und ko hl i ge r Humus bezeichnet) unterschieden von dem in irgendwelchen Flüssigkeiten (besonders Wasser und alkalische Lösungen) löslichen Teil: der Humussäure (Moorsäure, Mullsäure, Torfsäure, Ma- tiere noire Grandeau’s). Der unlösliche Teil der Huminstoffe hießHumin, der entsprechende lösliche Stoff Huminsäure; der unlösliche Teil der Ulminstoffe wurde Ulmin, der entsprechende lösliche Stoff Ulminsäure (Ulmussäure) genannt. Die mehr hellen, gelblichen, löslichen Humusstoffe heißen Apokrensäure (Quellsatzsäure), die wasserhellen Krensäure ( Qu eil säure). Besonders in Sümpfen (vergl. Senkt 1862 S. 27) soll wieder eine besondere »Säure«, die Ge in säure entstehen. Alle diese Aus¬ drücke entsprechen wissenschaftlich ganz unzureichend bestimmten chemischen Begriffen.
Besonders nach Hoppe-Seyler’s Untersuchungen lassen sich
o
J) Vergl. z. B. die Zusammenstellung bei Raman.v, Bodenkunde 3. Aufl. 1911 S. 149.
2) Fischer, Assimilation atmosphärischen Stickstoffes durch niedere Pilze (Naturwissenschaft!. Wochenschrift. Jena 26. /4. 1908 S. 268).
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I. Chemisches über Humus.
chemisch die folgenden 4 Gruppen von Humusstoffen charak¬ terisieren 1).
1. H umine, unlöslich in Alkalien und Alkohol. Enthalten 62 bis 66 v. H. Kohlenstoff, 3,7— 4,6 v. H. Wasserstoff. Entstehen nicht nur aus Kohlenhydraten, sondern auch durch Erhitzen von Gerbstoffen und Phlobaphenen mit verdünnten Alkalien auf 200°; Luftzutritt ist nicht notwendig. Gehen beim Schmelzen mit Kali in die beiden folgenden Gruppen über.
2. Huminsäuren, leicht löslich in verdünnten Alkalien; aus den braunschwarzen Lösungen werden diese Stoffe beim An¬ säuern in voluminösen, in Alkohol unlöslichen Flocken aus- gefällt. Bilden sich aus Kohlenhydraten und Gerbstoffen und aus den Huminen, welch letztere vielleicht Zwischenprodukte der Huminsäurebildung darstellen. Diese findet unabhängig von dem Luftsauerstoff statt.
3. Hy m ato m ela n säur en lösen sich in Alkalien und werden von Säuren wieder gefällt; die ausgewaschenen Niederschläge lösen sich leicht in Alkohol, werden aber nach dem Trocknen darin unlöslich. In Wasser quellbare, beinahe unlösliche Stoffe mit einem Gehalt von 65,5 v. H. Kohlenstoff und 4,5 v. H. Wasserstoff, entsprechend den Formeln C26H22O9 oder C26H20O9. Sie sind Säureanhydride. Auch die übrigen Hu¬ mussubstanzen werden von Berthelot und Andre als kon¬ densierte Säureanhydride angesehen. Hymatomelansäuren ent¬ stehen durch Oxydation aus Phlobaphenen oder Hum instoffen in der Kalischmelze (Hoppe-Seyler).
4. Wasserlösliche Humusstoffe im Moorwasser u. dergl. zeigen einen niedrigeren Kohlenstoffgehalt als die vorigen Gruppen und stehen offenbar den ersten Kohlenhydraten, aus welchen sie stammen, viel näher. Beim Erhitzen (wie beim Gefrieren ! — P.) werden sie aber leicht denaturiert und gehen in kohlenstoffreichere Produkte über (Aschan 1908).
9 Nach Euler, Grundl. u. Ergebnisse der Pflanzenchemie. Nach der schwedischen Ausgabe bearbeitet. I. Braunschweig 1908 S. 74.
I. Chemisches über Humus.
11
Solche Versuche, die Humusstoffe chemisch zu klassifizieren, siud noch gänzlich unbefriedigend. Es sei darauf hingewiesen, daß in dieser als Beispiel vorgeführten Klassifikation die natür¬ lichen löslichen Humusstoffe nur als »wasserlöslich« aufgeführt werden und daß dort, wo von Säuren die Rede ist, künstliche Eingriffe erfolgt sind.
Über die S. 5 erwähnte starke Absorptionsfähigkeit der Humus¬ sole und Gele, also ihre Neigung, gelöste Stoffe aufzünehmen und ziemlich fest an sich zu ketten, ist noch das Folgende zu sagen. Sehr instruktiv sind zunächst die im Wattenmeere vorhandenen untergegangenen, also ursprünglich auf dem Festlande entstandenen Torflager, die nach der Zerstörung des Landes, die nur die nord¬ friesischen Inseln übrig gelassen hat, unter den Wasserspiegel geraten sind. Dieser »Un terme ertorf« ist außerordentlich salzhal- tig (» Salztorf « ). L. Meyn1) erklärt sich dies so: Der Torf sei, ehe ihn die Schlicklage überdeckte, täglich von Meerwasser über¬ spült worden, habe sich mit demselben vollgesogen, sei danach zur Ebbezeit getrocknet, abermals vollgesogen und so fortdauernd der¬ gestalt, daß sich in ihm der Salzgehalt konzentrierte und ihn zu einer salzhaltigen Schicht stempelte, aus der eine regelmäßige und dauernde Salzgewinnung stattfinden konnte. Ich selbst meine freilich, daß der hohe Salzgehalt auf die große Absorptionsfähigkeit von Humus u. a. auch für gelöste Salze zurückzuführen ist. Da der einigermaßen lufttrockne Salztorf ^4 seines Gewichtes Asche ergibt, so wurde er in der Tat in Nordfriesland lange zur Speise¬ salzgewinnung benutzt.
Auffälligere unter den Pseudo- Verbin düngen des Humus nennt man Humate; sie sind die absorptiv gesättigten Humusstoffe oder bilden in der Sprache des Forst- und Landmannes den milden (neutralen) Humus. Man kann durch Zusammengießen von Schwarzwasser und Salzlösung leicht die leichtlöslichen Humus¬ stoffe ausfällen; die gefällten Humusstoffe sind flockig-gallertig, sehr voluminös, d. h. sie haben eine sehr große Wasserkapazität.
J) Meyn, Geognostische Beschreibung der Insel Sylt und ihrer Umgebung. Berlin 1876.
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I. Chemisches über Humus.
Getrocknet schwinden sie daher gewaltig und bilden brüchige, stark glänzende Stücke, die wie Schwarzkohle (Glauzsteinkohle) aussehen. Nicht nur die löslichen, sondern alle Humusstoffe sind neuerdings als »Säuren« angesehen worden, weil sie alle leicht Absorptions-Verbindungen besonders mit Basen eingehen, sofern sie noch absorptiv ungesättigt sind oder einen Austausch bereits absorbierter Verbindungen eingehen. Die absorptiv ungesättigten Humusstoffe sind demnach das, was mau allgemeiner als »Humus¬ säuren« (sauren Humus) bezeichnete; sie bilden aber solche Verbindungen auch mit Säuren und Salzen. Es hat sich schon früher herausgestellt und ist von A. Baumann ausführlicher dar¬ gelegt worden *), daß die dunklen Humusstoffe die saure Reaktion in dem Sinne einer chemischen Säure nicht hervorrufen. Daher ist es vorzuziehen, vor der Hand einfach nur zu scheiden unlös¬ liche von (kolloidal) löslichen Humusstoffen. Daß es oft nur die durch Zersetzung entstehende Kohlensäure ist, die die saure Reaktion bedingt, ist zweifellos. Die in Band I S. 15 mit¬ geteilte Tatsache, daß blankes Eisen in Torf angegriffen wird, ist denn auch kein Beweis für das Vorhandensein von sauren Humus¬ stoffen, wirklichen Humussäuren, da Eisen bekanntlich von den schwächsten Säuren angegriffen wird, wie das bei der Bildung des Rostes, der durch Vermittelung von Kohlensäure entsteht, bekannt ist. Hierbei entsteht ja zunächst Ferrocarbonat. Auch Pflanzensäuren aus lebenden Pflanzen greifen Eisen bekanntlich stark an. Ebenso wird CaCOg in vielen Torfen gelöst, d. h. wohl auch durch CO2 in das lösliche Calci umbicarbonat übergeführt. Dies- bezl. ist auf Erfahrungen an Moorleichen hinzuweisen, bei denen zuweilen die Knochen fehlen bezw. ihres Kalkes beraubt sind, so daß nur die bindegewebigen Bestandteile der Leichen übrig blieben, wodurch sie in bergfeuchtem Zustande elastisch wie Gummi waren-). Die Haut der Leichen wird bei der kolloiden Natur
b Baumann, Untersuchungen über die Humussäuren (Mitteilungen der Ivgl. Bayerischen Moorkulturanstalt, München 1909).
2) Yergl. J. Mestorf, Moorleichen (42. Bericht Mus. Vaterland. Altert. Univers. Kiel. Kiel 1900 S. 3, 6) und Moorleichenfunde (Nachtrag zu dem Anhang des 42. Ber. M. v. A. U. K. Kiel 1907 S. 31).
I. Chemisches über Humus.
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der löslichen Huinusstoffe gegerbt. Baumann weist nun in Ver¬ bindung mit E. Gully1) besonders für die freien Säuren im Hoch¬ moor nach, d. h. in diesem Falle für die wirklich sauren, gelösten Stoffe, daß hier alle sauren Reaktionen, die man mit Hochmoor- sphagnen und Moostorf erhält, von einer Kolloid Wirkung der Cellulose (Zellliaut d er Flüssigkeit führenden Sphagnumzellen) herrühren, welche aus Salzlösungen die darin enthaltene Säure unter Absorption der Base frei macht. Die großen wasserführenden und wasserleitenden durchlöcherten Zellen von Sphagnum sind dadurch ein Fangapparat für Pflanzennährstoffe, den die im Hoch¬ moor wachsenden, nur auf* * die Nährstoffe in den atmosphärischen Niederschlägen angewiesenen Sphagnen notwendig brauchen. Die freigemachten Säuren bedingen nun die saure Reaktion des Hoch- moorwassers und der Sphagnen. In der Tat: »Daß kolloidale Pflanzensubstanzen wie Cellulose und tierische Gewebe minerale chemische Verbindungen absorbieren können, wobei selbst chemische Zersetzungen emtreten können, ist bekannt.« (van Bemmelen 1888 [1910, S. 140].) Es ist aber zu beachten, daß die Humusstoffe Basen in stärkerem Maße absorbieren als Säuren, »die Absorption gelöster Salze ist häufig von einer Hydrolyse begleitet, derart, daß Alkalien sehr stark absorbiert und säurenfrei gemacht werden«. (Zsigmondy, 1. c. 1907 S. 26). Die BAUMANN-GuLLY’schen Erfah¬ rungen an Sphagnum können also nicht generalisiert werden, d. h. die sogenannten Säurewirkungen in Humus- (besonders Torf-) Böden — sogar die meisten dieser Wirkungen — sind wohl auf die Humussubstanzen zurückzuführen, von denen man ja allerdings behaupten kann, daß sie dieselben Kolloidstoffe bewahrt hätten, wie sie in lebenden Pflanzen Vorkommen (vergl. vorn S. 5).
Die feinsten Trüben, Suspensionen in Flüssen, die sich gar-
9 Baumann und Gully, Über die freien Humussäuren im Hochmoore und
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ihre Bestimmung (Naturwissenschftl. Zeitschrift f. Forst- und Landwirtschaft. Stuttgart Januar 1908). Baumann und Gully, Untersuchungen über die Humus¬ säuren. I. Geschichte der Humussäuren. Von Baumann. (Mitteilungen der K. Bayr. Moorkulturanstalt. Stuttgart 1909 S. 52—123.) II. Die »freien Humus¬ säuren« des Hochmoores. Ihre Natur, ihre Beziehungen zu den Sphagnen und zur Pflanzenernährung. Von Baumann und Gully (1. c. 1910, S. 31 — 156).
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nicht oder nur schwer absetzen wollen, schlagen sich schnell nieder, wenn sie ins Meer gelangen und dort mit dem salzigen Wasser in Berührung kommen, weil selbst kleine Mengen (mini¬ malste Mengen sind ohne Wirkung, s. unten) eines Elektrolyten die Eigenschaft haben, Trübungen in kurzer Zeit zur Abscheidung, zur Sedimentation zu bringen, und zwar auch dort, wo die Wasser¬ bewegung noch genügen würde, die Trübe in der Schwebe zu erhalten. Daß auch Humuslösungen unter diesen Umständen einen Humusniederschlag und zwar eine Koagulation ergeben, weist besonders eindringlich auf die Kolloidnatur (Solnatur) der Humus¬ lösungen hin. Bei Untersuchungen nach der angegebenen Richtung ist die neuere Erfahrung der Kolloidchemie zu berücksichtigen, daß von Elektrolyten absolut freie kolloidale Lösungen nicht existenz¬ fähig sind; in absolut reinem Wasser flockt das Kolloid aus. Es gibt aber andererseits Kolloide, die mit Säuren (HCl z. B.) nicht zur Ausflockung zu bringen sind, so z. B. Gelatine, Leim (Tischler¬ leim). Leim und auch gewisse andere Kolloide schützen aus¬ flockungsfähige Kolloide vor dem Ausflocken (»Schutzkolloide«). Sowohl künstliche Humuslösungen, die ich durch Behandlung von Ammoniakwasser mit Torf gewonnen hatte, als auch natürliche Humuslösungen aus Mooren, die beide mit HCl den Niederschlag gaben, so daß das Wasser sich entfärbte, blieben braun und eine Fällung trat nicht ein, wenn vorher die Humuslösungen mit Leim¬ wasser (und zwar wird man natürlich gereinigten Leim, weiße Gelatine nehmen) versetzt wurde. Übrigens sei darauf hingewiesen, daß in der freien Natur mehr oder minder Ammoniak für die Lösung von Humusstoffen ebenfalls wirksam sein muß, da bei der Zersetzung von Organismen (Tieren, die im Moor leben, und Pflanzen) und tierischen Exkrementen NH3 entsteht. Wird ein Salzgehalt oder ein event. Säuregehalt wieder ausgewaschen, so gellen die gelöst gewesenen Humusstoffe wieder in den Hydrosol- Zustand, d. h. in Lösung über. Beim Filtrieren von destilliertem Wasser durch humushaltige Erde geht dementsprechend zuerst eine farblose Flüssigkeit durch und zwar so lange, bis die lös¬ lichen Miueralstoffe ausgelaugt sind, dann erst färbt sich das Filtrat
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immer dunkler. In manchen Fällen habe ich die löslichen Humus¬ stoffe, oder — ganz vorsichtig ausgedrückt — die das Wasser braun färbenden Substanzen aus Moorwasser nicht zum Nieder¬ schlag (zur Ausflockung) zu bringen vermocht, wenn ich es auch noch so lange mit Salzzusatz stehen ließ : es blieb braun, wie es vorher gewesen war. Es spielen eben bei diesen Vorgängen, wie angedeutet, die elektrischen Eigenschaften zwischen Kolloid- und Ausfällungsmittel und anderes (Schutzkolloide) eine Rolle, abge¬ sehen von der Verschiedenheit der Humusstoffe.
Bei einer Verwesung von Humus wird dieser heller, bis er sich verflüssigt. So entstehen die hellen löslichen Humusstoffe oft durch Zersetzung löslicher dunkler Humusstoffe, die durch Wasser fortgeführt mit Sauerstoff in Berührung kommen und oxydiert werden, um schließlich vollständig in Kohlendioxyd, Wasser usw. aufzugehen; jedoch können helle Humusstoffe auch zu dunklen Körpern werden. In Alkalien (NH3, Kalilauge usw.) und kohlen¬ sauren Alkalien (Soda usw.) sind lösliche Humusstoffe leicht löslich. Ich selbst benutze zum Nachweis löslicher Humusstoffe gern Li2C03-Lösung, da diese haltbar und bequem ist und eine hervor¬ ragend lösende Kraft für Humus besitzt. Auch bei Sapropeliten, die naturgemäß in den meisten Fällen wegen der beigemengten Reste von Sumpfpflanzen deutliche Humusreaktion zeigen, aber gelegentlich recht rein Vorkommen, gelingt der Nachweis eines schwachen Humusgehaltes mit LioC03 am besten. Das Sapropel des Ahlbecker Seegrundes südlich des Stettiner Haffs z. B. gibt mit Li2 C03-Lösung versetzt nur eine sehr schwach hellgelbe Lösung. die sich bei Zusatz von HCl als eine ganz schwache Humuslösung ergibt, indem nur ein geringfügiger Niederschlag von Humusflocken statthat; freilich muß man die Flüssigkeit einige Tage stehen lassen, um das zu konstatieren, da der Humus wegen seiner sehr feinen Verteilung im Wasser nur ganz langsam fällt. Das Wasser hellt sich darüber — wie in den meisten anderen Fällen von Humuslösung bei gleicher Behandlung — vollständig wieder auf. Bevor die schwebende Substanz niedergegangen ist, sieht die Flüssigkeit wie vorher die kolloide Lösung vor Zusatz von HCl aus. Das Fehlen oder nur spurenhafte Vorhandensein
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von löslichem Humus ist eiuer der wesentlichen Unterschiede zwischen Faulschlamm und dem stark dunkelfärbenden Humus. Auch wenn man vorher den Faulschlamm nach der üblichen Methode zum Nachweis von Humus behandelt — nämlich das zu untersuchende Material zunächst bis zur schwach sauren Reaktion mit verdünnter Säure versielit, um zunächst die absorbierten Basen zu beseitigen und dadurch möglichst viel löslichen Humus zu er¬ halten, sodann die Säure wieder auswäscht und endlich mit ver¬ dünntem NH3 löst — erhält man dasselbe Resultat, d. h. nur mit Mühe Spuren von löslichem Humus. Absorptiv gesättigter Humus gibt mit dünner Ammoniaklösung usw. keine gefärbte Lösung, deshalb ist die vorausgehende Behandlung des Materials mit HCl dann nötig, wenn eine exaktere Untersuchung geboten ist. Trotz der Möglichkeit, Faulschlamm und Humus auch in der angegebenen leichten Weise chemisch zu unterscheiden, werden beide Kausto- biolithe noch immer von einigen Seiten zusammengeworfen. Man darf nur nicht jedes Material, das Humusreaktion zeigt, Humus nennen, ebensowenig einen Sapropelit, der diese Reaktion besitzt, wie einen Ackerboden usw. Es ist selbstverständlich, daß es auf die Quantität des vorhandenen Humus ankommt, um einen Kausto- biolith auch als Humus ansprechen zu können. Einen Ackerboden, mag er noch so schwarz aussehen und einige Prozent Humus enthalten, nennt selbstverständlich niemand Humus, obwohl er Humusreaktion zeigt, dasselbe muß natürlich für Faulschlamm gelten. Zusatz von L^COg-Lösung zu Mullerde (z. B. Schwarz¬ erde) oder sonstige Humuserden oder reineren oder reinen Hunius- bildungen geben natürlich meist eine sehr stark dunkelschwarz¬ braune Lösung, selbst bei Schwarzerde, obwohl sie nur wenige Prozent Humusstoffe enthält. Deshalb ist aber die Schwarzerde noch lange kein Humus, ebensowenig wie ein Sapropelit oder Sapropel, selbst wenn sie bis zu einigen Prozent Humus enthalten.
Man kann mit Li2COg- oder einer anderen gut wirkenden alkalischen Lösung sogar in fossilen Kaustobiolithen noch die Humusreaktion erhalten; es ist dies z. B. noch bei erdiger Braun¬ kohle der Tertiärformation der Fall.
Der durch Säurezusatz zu einer Humuslösung erhaltene flockige
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Niederschlag löst sich in Li2C03 -f- H20 wieder auf und zwar geht die Lösung sofort vonstatten, während vorher erst lufttrocken gemachter Niederschlag natürlich längere Zeit braucht. Luft¬ trockner Niederschlag, den ich jahrelang in Verwahrung hatte, löste sich ebenfalls wieder (vollständig?) zu der dunkelbraunen Flüssigkeit (vergl. jedoch unter Dopplerit). In destilliertem Wasser löst sich viel weniger und zwar in heißem mehr als in kaltem. Es werden denn auch die löslichen Humusstoffe durch Gefrieren als Gallerte zum Ausfällen gebracht, die sich daun langsam wieder löst. Da Früh1) nach Kinahan jedoch angibt, daß ein Ausfällen nicht stattfindet, habe ich mit dunkelbraunem Moorwasser das Experiment selbst gemacht und nach dem Gefrieren Ausfällung und dann Wiederlösung (ob immer vollständige?) beobachtet. Man kommt eben zu keiner ordentlichen Klarheit, wenn man davon ausgeht, daß die gleichfarbigen löslichen Humusstoffe auch das¬ selbe seien. Sie verhalten sich in der angegebenen Richtung ver- schieden, so nach Eggertz die Ulminsäuren je nach ihrer Herkunft, indem die Ammoniaklösung der einen nach dem Eintrocknen einen in kaltem Wasser wieder vollständig löslichen, die anderen aber bei gleicher Behandlung einen fast oder ganz unlöslichen Rückstand ergeben, sich also in der Sprache der Kolloidchemie im ersten Fall reversibel, im zweiten Fall irreversibel verhalten.
Humate, wie man generali sagt, (oder auch in ihrer Unter¬ scheidung in Humate im engeren Sinne, Ulmate undKrenate) sind — wie S. 11 schon angedeutet — die sogenannten Verbin- düngen, d. h. für uns Absorptions- Verbindungen von Humusstoffen z. B. mit Kalk (Kal k h u m a t 2) , humussaurer Kalk), mit Eisen (Eisenhumat, h. E.), mit Blei (Bleihumat, h. B.) usw. Die Bindung in den Humaten ist sehr schwach; sie kann durch oft erneutes Wasser allmählich gelöst werden, ebenso durch Gefrieren¬ lassen. Die Humusstoffe, sagt van Bemmelen (1910 S.122), »bilden Absorptionsverbindungen mit Säuren und Salzen, am leichtesten jedoch mit Basen«. Der genannte Autor fügt aber hinzu (1. c. S. 124) :
0 Früh, Moore der Schweiz 1904 S. 162.
2) Sapropelkalk ist offenbar gelegentlich mit »Kalkhumat« verwechselt worden.
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Neue Folge. Heft 55. II.
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»ob eine eigentliche chemische Verbindung zwischen Humussäure
o o
und einem Metalloxyd stattfinden kann und welche, oder ob eine chemische Verbindung in dem kolloiden Komplex verborgen ist, das können wir bis jetzt nicht feststellen«. Die Ulmine absor¬ bieren nach A. König’s Versuchen stärker (Ulmate) als die H umine (1. c. S. 137). Das Absorptionsvermögen ist in der Reihe Kali, Magnesia, Kalk, Natron, Säuren am stärksten für Kali, sodann folgt Magnesia usw., am schwächsten ist es für Säuren, unter diesen wird Phosphorsäure besonders gut absorbiert. Die mit schwächeren Säuren verbundenen Basen werden leichter aufge- nommen als die Basen in Verbindung mit stärkeren Säuren. In der angegebenen Reihenfolge (die Reihe ließe sich natürlich stark verlängern) findet daher Substitution statt: je nach den stärker oder schwächer wirkenden Verbindungen findet eine auswählende Absorption statt. Von der oder den Apokren- und Kreusäuren behaupten manche Autoren, z. B. C. G. Eggertz *), daß sie zweifel¬ los als selbständige Körper existieren, andere, z. B. Wiesner, daß sie nur an Basen gebunden vorkämen. Die Humate usw. mit Erd¬ alkalien und Eisen sind schwer oder weniger löslich; wichtig ist besonders die Schwerlöslichkeit des Kalkhumates. C. A. Weber* 2) hat sauer reagierendes Schwarzwasser , das bei HCl-Zusatz einen starken Humusniederschlag gab, mit dem an Calciumbicarbonat ziemlich reichen Wasser der Bremischen Wasserleitung gemischt, ohne auch nach langem Stehenlassen einen Niederschlag zu er¬ halten. Josef Reindl3) hat aber Lösungen von Humus in Natrium- und Kaliumcarbonat mit Kalkwasser zusammengebracht und dann eine Entfärbung mit braunem Niederschlag erzielt. Unlösliche Eisen-, Aluminium- oder Magnesium-» Verbindungen« von »Humus¬ säuren« erhält man leicht durch Zusatz von Salzlösungen zu künst¬ lichem oder natürlichem Schwarzwasser, z. B. von Ferrichlorid. Wie eigenartig sich aber diese wesentlich unlöslichen Humate
!) Eggertz, Meddelanden fran konigl. Landbruks-Akad. Stockholm 1888
p. 1—66.
2) Weber, Über die Vegetation und Entstehung des Hochmoors von Augs- tumal im Memeldelta. Berlin 190*2 S. 208 Anm.
3) Reindl, Die schwarzen Flüsse Süd-Amerikas. München 1903 S. 124—125.
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verhalteD, sei nach O. Aschan (1907 S. 57) an den Eisenhumaten erläutert. Durch den Zusatz kleiner Quantitäten eines Ferro-Salzes (Chlorid, Sulfat oder Bicarbonat) zu Schwarzwasser wird niemals eine Ausfällung der Humussäure bewirkt. »Erst nachdem das zunächst gebildete, ungefärbte, lösliche Ferro-Humat durch den Sauerstoff der Luft unter allmählich auftretender D unkelfärb unc: in das Ferri-Humat verwandelt worden ist, kann letzteres bei geeigneter Konzentration ausfallen. War aber nach der Oxydation das Fällungsoptimum nicht vorhanden, so blieb auch hier die Ferrihumat-Lösung fortwährend klar.« Nach all dem Gesagten ist es begreiflich, daß die Humate keine konstant zusammen¬ gesetzten Körper sind, sondern daß jede Darstellung zu einer anderen chemischen Zusammensetzung führt. »Auch zeigen sie garnicht die charakteristischen Eigenschaften (Farbe und Ionen¬ reaktion) der Metallsalze. Die Eisenhumate sind nicht grün oder gelb, die Kupferhumate nicht grün oder blau, sondern alle braun oder schwarz gefärbt; sie haben die Farbe der freien »Humus¬ säure« angenommen. Man kann auch im Eisenhumat nicht das Eisen mit Blutlaugensalz nachweisen, es ist als kolloidales Metall¬ oxyd in den Kolloidkomplex eingetreten; die Metalle sind »maskiert«. Bemerkenswerterweise fallen aber die Humate schon beim Trocknen oder Gefrieren auseinander! Bisher hat auch nicht ein einziges Humat in krystallinischem Zustande hergestellt werden können« (Stremme x).
Da Säuren, namentlich nach dem Gesagten vorwiegend Kohlen¬ säure, aber auch aus Salzen durch die Absorptions-Tätigkeit des Humus abgeschiedene Säuren und endlich wohl auch Pflanzensäuren dort reichlicher vorhanden sind, wo sich. Humus bildet, da schlie߬ lich absorptL ungesättigte Humuslösungen die Säuren der Boden¬ mineralien mehr oder minder zu verdrängen vermögen, so können die Böden stark entlaugt werden. Danach veranlassen die gelösten Humusstoffe starke Zersetzungen in den anorganisch-mineralischen Gesteinen. (Vergl. auch unter »Ort«.) Wenn das Liegende von
9 In einem Referat »die sogenannten Humussäuren« (Prakt. Geolog. August 1909 S. 354) wesentlich über van Bkmmelen’s und Baumann’s Arbeiten.
2*
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Mooren z. B. Granit oder Gneis ist, so ist die oberste Schicht dieser Gesteine krümelig zerfallen und mehr oder minder kaolini- siert. Das kann man sehr schön im Riesen-, Iser-, und Erzgebirge beobachten. Eine neuere diesbezl. Arbeit hat K. Endell geliefert1), in der sich auch genügende Literaturangaben befinden. Stremme hatte scharf geschieden »Verwitterung« und »Kaolinisierung«. Beide erfolgen generell durch schwache Säuren. Während aber die Verwitterung daneben ein Oxydations-Vorgang ist, ist die Kaolinisierung dies nicht, sondern kann sogar ein Reduktions- Vorgang sein ... Es werden bei der Kaolinisierung Eisen, Erdalkalien ausgelaugt, während die Tonerde und Kieselsäure prozentual zunimmt« (Endell 1. c. S. 2). Das ist der Fall bei sauren Eruptivgesteinen; auch basische »werden im allgemeinen in der Richtung auf Kaolin zu zersetzt. Während Phosphorsäure, Eisen, Erdalkalien und Alkalien mehr oder weniger herausgelöst werden, wächst der Gehalt an Kieselsäure, Titan, Aluminium und Wasser« (1. c. S. 27). Auch Endell (1. c. S. 36) hat als zerset¬ zendes Agens Kohlensäure konstatiert.
Inkohlung und Verkohlung.
In prozentischer Zusammensetzung enthalten die Humusstoffe mehr Kohlenstoff* als Wasserstoff und Sauerstoff zusammenge- nommen, außerdem ist bei den natürlichen stets Stickstoff* vor¬ handen. Jedoch das durch Anwendung verdünnter Schwefelsäure auf Zucker herstellbare »Humusprodukt«, das Sestini2) Sacculmus nennt, ist natürlich frei von N. Kohlenhydrate gehen überhaupt — besonders leicht in alkalischer Lösung, aber auch beim Kochen mit Säuren — in Humus über. Bei einer vollständigen Dehydra- tisation von Kohlenhydraten muß Kohlenstoff entstehen, bei Holz Holzkohle wie beim Brennen von Holz im Meiler. Den Prozeß der Humus- und schließlich Kohlenbildung nennen wir Inkoh-
0 Endell, Uber die chem. u. mineral. Veränderung basischer Eruptivgesteine bei der Zersetzung unter Mooren. (Neues Jahrbuch für Mineralogie usw. 1910.)
2) Sestini, Über die Ulmin-Verbindungen, welche bei Einwirkung von Säuren auf Zuckerstoffe erzielt werden. (Landwirtschaft!. Versuchsstationen 1881).
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hing, denjenigen der Kohlenstoffbildung Verkohlung (vergl. Band I S. 19).
Wie die Kolloide überhaupt, so sind natürlich die Humus¬ stoffe amorph. Unter dem Mikroskop sieht man z. B. als Grund¬ substanz der Steinkohle eine mehr oder minder homogene Masse, in der die eventl. noch ihrer Struktur nach erhaltenen Gewebe- und Zellenteile eingebettet liegen. Dasselbe kann man beim Torf beobachten. Die amorphe Grundsubstanz war wohl zum großen Teil in Lösung und hat die noch figuriert erhaltenen Beste inkohlt (vergl. unter Dopplerit).
Die Humation der organischen Materialien geht je nach ihrer chemischen Zusammensetzung verschieden schnell vor sich. Handelt es sich um ein Gemisch der verschiedenartigsten Zu¬ sammensetzungen, so werden die schnell zu Humus werdenden die anderen so dicht einbetten, daß sie so dauernd erhalten bleiben können, derartig, daß sie sogar in ganz altem, fossilem Humus wie in Humussteinkohle noch mit dem Mikroskop ihre anatomische Struktur zeigen. J. J. Früh macht darauf aufmerksam1), daß Rindenteile von höheren Gefäßpflanzen und namentlich Farnkräuter homogen sehr gut vertorfen. Dem ist gegenüberzustellen, daß z. B. die Häute von Pollenkörnern und Pollen sich sehr schwer zersetzen, ferner (1. c. S. 721 — 722), daß die Vertorfung namentlich in Geweben leicht vor sich geht, die reich an Gerbstoff waren; daher ist häufig die doppleritische (über Dopplerit hinten) Um¬ wandlung von Rindenzellen, Mark und Markstrahlen zu beobachten. Nach früheren Mitteilungen desselben Autors2) wird von den ver- torfenden pflanzlichen Teilen zuerst angegriffen: der Zellinhalt, der zu einer meist körnigen, selten homogenen, braunen Masse wird; später wird die Cellulose verändert, noch später die lignin¬ haltigen (verholzten) und cuticularisierten (verkorkten) Membranen sowie die Harze und Fette (vergl. auch Früh, 1. c. 1904 S. 174). Alle Zellen können aber in völlig homogene Massen umgewandelt
9 Früh, Kritische Beiträge zur Kenntnis des Torfes (Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt). Wien 1885 S. 723.
2) Früh, Über Torf und Dopplerit. Zürich 1883 S. 24—49.
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werden. Danach werden insbesondere die stickstoffhaltigen Zell¬ inhaltsbestandteile, wie gesagt, zuerst zersetzt, sodann von Kohlen¬ hydraten zunächst die Cellulose und dann die gegenüber dieser kohlenstoffreicheren Teile: das Lignin usw. Daß ligninhaltige Substanzen schwierig vertorfen, schließt Früh (1. c. 1883 S. 30) daraus, daß man bei »Gefäßpflanzen in der Regel als letzte Über¬ reste die Verdickungsfasern« findet. Er selbst fügt aber sofort hinzu, daß Holzzellen vollkommen in Humussubstanzen übergehen können. Das mag für die Zersetzungsvorgänge in Torfen zutreffen, jedoch sei immerhin darauf aufmerksam gemacht, daß bei der Papierfabrikation die »inkrustierenden Substanzen« (das Lignin usw.) aus Holz leichter durch Lösung entfernt werden können, so daß Cellulose zurückbleibt. Zu einer abweichenden Anschauung kommt Shigehiro Suzuki1), nach dessen neueren Untersuchungen Proteine, Stärke und Pentosane zur Bildung schwarzer Humus¬ substanz beitragen, Fett und Cellulose jedoch nicht.
Haben wir nun auch gesehen, daß die Umwandlung zu Humus nicht in dem Sinne eine Verkohlung ist, als etwa nun das Element Kohlenstoff entstünde, sondern daß die Produkte nur kohlenstofl’reiche Verbindungen sind, d. h. » inkohlte« Substanzen, so ist doch noch hervorzuheben, daß im Vergleich zu Humus zwar sehr untergeordnet, aber doch häufig eigentlicher Kohlenstoff besonders in Form von Holzkohle in der Natur vorkommt. Solche Holzkohle kommt sowohl im Sapropel und Torf, als auch in den fossilen Kohlen vor. Für die fossile Holzkohle bezw. das echt verkohlte fossile Material führe ich2) acht Namen auf (es gibt aber noch mehr). An Terminologie mangelt es also auch hier nicht. Trotzdem passen unter den vorhandenen Sy¬ nonymen oft genug keine für bestimmte Fälle. Für das Material der echt verkohlten Apfel der Schweizer Pfahlbauten z. B. — ich habe solche untersucht — trifft keiner der vorgeführten Aus¬ drücke wirklich sinngemäß zu. Bei diesen Äpfeln handelt es
0 Suzuki, Studien über Humusbildung (The bulletin of the Coli, of Agri- eulture. Tokyo. Imp. University) 1907.
?) Potomk, Entstellung der Steinkohle. 5. Aull. ßer]iq 1910 S. 111.
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sich im wesentlichen um verkohltes Parenchym, aber so, daß alle Zellen noch fest Zusammenhängen: Wir haben in diesem Falle keine »Holz-(Faser-)Kohle«. Es fehlt ein Terminus für Orga¬ nisches, in dem Sinne verkohltes Material, daß reiner Kohlenstoff entstanden ist, ein Terminus, der weiter nichts ausdrückt, als »zu Kohlenstoff geworden« und nicht wie die bisher gebräuchlichen noch Sondereigenschaften umfaßt. Manche französischen Gelehrten sagen houille daloide, vom griechischen dalos, leuchtender Feuerbrand, die Fackel; das ist der einzige mir bekannte Terminus, der allgemein genug wäre. Wenn man die Termini Verkohlung und Inkohlung festhält, so sind die Bezeichnungen verkohlte Substanz (oder verkohltes Material u. dergl.) für das, was hier gemeint ist, oder inkohlte Substanz (oder inkohltes Material u. dergl.) für den Torf, die Humussteinkohle usw. sehr brauchbar und dem Sinne nach zutreffend.
C. W. Gümbel macht mit Recht darauf aufmerksam *), daß die Tatsache des reichlichen Vorkommens von fossiler Holzkohle »nicht entsprechend gewürdigt« worden sei. »Ist es wahrscheinlich — sagt er 1. c. S. 195 — , daß die ,Faserkohle; das eigentümliche Produkt einer Art Vermoderung von holzartigen Pflanzenteilen . . . sei, wie sie auch jetzt noch in den Torfmooren entsteht, so muß man annehmen, daß dieser Prozeß in großartigstem Maßstabe zur Bildungszeit der Steinkohlen stattgefunden hat«. Bei Friedrich Hoffmann lesen wir* 2) »Holz, welches bei gewöhnlicher Tempe¬ ratur einer beständigen Feuchtigkeit ausgesetzt ist, verfällt all¬ mählich dem Verkohlungsprozeß«. Ein Stück Holz, das diesen Bedingungen ausgesetzt war, »glich gänzlich einer richtigen be¬ feuchteten Holzkohle.« Daß Verwesungs- oder Vermoderungs- Bedingungen bei der natürlichen Holzkohlen-Entstehung ausschlag¬ gebend seien, muß ich aber nach meinen Erfahrungen bestreiten. Zu der Hoffmann sehen Angabe ist zu bemerken, daß mir Herr
!) Gümbel, Beiträge zur Kenntnis der Texturverhältnisse der Mineralkohlen. (Sitzungsberichte der mathematisch-physikalischen Klasse der Kgl. bayerischen Akademie der Wissenschaften. München 1883 S. 133).
2) Hopfmann, Ein Beitrag zur Selbstentzündung von pflanzlichen Kähr- und Futterstoffe!! (Wochenschrift für Brauerei. Separatabzug S. 7.)
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Prof. P. Lindner freundlichst Holzprobon, die der Erstgenannte im Sinne hat, zugänglich gemacht hat, an denen aber die Holz- kohlennatur nicht zu konstatieren ist. Es handelte sich um Holz, das in Ulmifikation begriffen war.
Es gibt Steinkohlen mit regelmäßigen schwachen , um 1 nun herum mächtigen Lagen von Holzkohle, getrennt durch ebenso starke Lagen von Glanzkohle. Die Wechsellagen weisen wohl auf regelmäßig (vielleicht periodisch im Laufe des Jahres) wieder¬ kehrende gleiche äußere Bedingungen hin, die einmal die Zerset¬ zung nach Glanzkohle, ein andermal nach Holzkohle bedingt haben. Besonders instruktiv ist in dieser Richtung das »Rußkohlenflötz« des Zwickauer Steinkohlenrevieres, das seinen Namen von der vielen Faserkohle hat, die es enthält, weshalb es beim Anfassen schwarz macht, »rußt« (»Rußkohle«). Bei dem meist regelmäßig lagenweisen Auftreten müßte — falls man Brände als Ursache annehmen will, die etwa durch den Blitz veranlaßt waren — angenommen werden, daß wmhrend der ganzen Bildung des in Rede stehenden Kohlenlagers die Brände sehr periodisch auf¬ getreten wären. In der Tat entstehen ja Holzkohlen in der freien Natur durch Feuerwirkung, nämlich durch Blitzschläge und durch vulkanische Gesteine, in denen sich nicht selten Holzkohle findet, namentlich in vulkanischen Aschen (Tuffen), die eine lebende Vegetation bedeckt haben; da wir aber auch andere Ursachen von Holzkohle-Entstehung kennen, wäre es unvorsichtig, überall Feuer¬ wirkung anzunehmen. Oft werden Holzkohlensplitter als Funken an ihre heutige Lagerstätte gelangt sein. Früh (1. c. 1883 S. 36) behauptet, man kenne »wieder aus dem Torf, noch aus der Braun¬ kohle andere Kohle als Holzkohle, die durch einen lokalen Brand aus den Pflanzenresten entstanden, aber nie durch den Vertorfungs- prozeß gebildet worden« sei. R. Diederichs sagt von dem Moor von Darze bei Parchim1): »Waldbrände scheinen .... nicht selten gewesen zu sein. Sehr viele von den erhaltenen Stubben sind angebrannt und oft findet man in der Nähe derselben größere
b Diederichs, Uber die fossile Flora der mecklenburgischen Torfmoore. Güstrow 1894 S. 7,
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Meuten von Holzkohle.« C. A. Weber beschreibt altdiluviale Torfe *), in denen »Feuerkohle«2), wie er die Holzkohle nennt, häufig ist und in denen ganze Brand lagen Vorkommen. Solche Zitate ließen sich sehr reichlich bringen. Es wird von den Autoren, soviel ich sehe, garnicht erwogen, ob nicht auch andere Bedin¬ gungen zur Entstehung von Holzkohle möglich sind, und die Autoren haben auch recht, zur Erklärung der fossilen Holzkohlen zunächst Feuerwirkung anzunehmen, da diese die bekannteste ist. Wo gar noch die Asche derjenigen Pflanzen vorhanden ist, die vollständig verbrannt sind, wie das gelegentlich in Torfmooren vorkommt, z. B. mehrere Stellen in dem großen Hochmoor nördlich von Triangel in der Lüneburger Heide, wo sich dünne Aschen¬ lagen oder Aschenanhäufungen mit Holzkohle vorfanden, und wie ich ferner in der Braunkohlengrube südlich Luckerberg westlich Düren in der Rheinprovinz beobachtet habe, wird man die dabei liegende Holzkohle nicht gut anders als durch Brand erklären können: sei ein solcher Brand nun durch Blitzwirkung entstanden oder durch Selbstentzündung oder auch bei jüngeren Torfen durch von Menschen verursachte Brände. Aber in anderen Fällen wäre eine eingehendere Untersuchung erwünscht, weil Holzkohle im Labo¬ ratorium auch unter anderen Bedingungen erzeugt werden kann, so durch Behandeln von Holz mit einem wasserentziehenden Mittel wie Schwefelsäure; auf diese Dehydratisierung wurde schon hin¬ gewiesen. Da ist denn wohl das Problem gegeben, nachzusehen, inwieweit in der freien Natur wasserentziehende Mittel in reicherem Maße Holzkohle zu produzieren imstande sein könnten. Diesbezl. ist darauf hinzuweisen, daß Schwefelsäure in der Natur — beson¬ ders durch Oxydation aus Schwefelkies entstanden — oft vorkommt, wenn auch die übliche schwache Lösung nicht schnell dehydrati- siert, so mag sie bei langer Wirkung wohl das Ziel erreichen.
]) Webe« in G. Müller und Weber, Über eine frühdiluviale und vorglaziale Flora bei Lüneburg. II. Die fossilienführenden Schichten (Abh. d. Kgl. Preuß. Geol. Landesanstalt). Berlin 1904 S. 7 — 19.
3) Im Weißenfels-Zeitzer Braunkohlen-Revier z. B. nennt man Feuerkohle die zum Feuern benutzte Braunkohle im Gegensatz zu der zum Verschwelen ver¬ wendeten »Schwelkohle«.
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Moore mit hohem Schwefelkies- und Schwefelsäure-Gehalt sind häutig. C. Claessen setzt einen Sonderfall wie folgt auseinander1): Das in manchen Moorböden vorkommende Zweifachschwefeleisen (FeS2) gibt durch Oxydation im durchlüfteten Boden Eisenvitriol und freie Schwefelsäure. Wie groß die auf diese Weise ent¬ stehenden Mengen freier Schwefelsäure sein können, versucht Claessen an dem in Rede stehenden Beispiele nachzuweisen. Eine an der Böschung eines tief angeschnittenen Grabens, % m unter der Oberfläche, zu Tage tretende Quelle bedeckte den Boden mit einem weißlichen Überzüge von Eisenoxydulsalz. Die Analyse ergab solche Mengen von Eisenvitriol in einer daselbst entnommenen Probe, daß man, nach der Oxydationsgleichung FeS2-f-70 = FeSCü-f-SCü, das ursprüngliche Vorhandensein von 22,89 v. H. an Eisen gebundener Schwefelsäure und der gleichen Menge freier Schwefelsäure in der Torftrockensubstanz annehmen konnte. Nimmt man weiter an, daß ein Kubikmeter Torf 200 kg fester Stoffe enthält und daß die angrenzende Moorpartie durch Aufbringen des schädlichen Grabenauswurfs mit einer 10 cm mächtigen Schicht bedeckt worden wäre, so würde man auf einer Fläche von 100 qm nicht weniger als 1007 kg Schwefeleisen aufgebracht haben, die 915 kg freie und gebundene Schwefelsäure liefern konnten, also eine Vegetation unmöglich gemacht haben würden.
Zuweilen ist soviel Schwefelsäure im Boden, daß technische Anlagen wie Kanäle ganz wesentlich leiden können, wenn sie aus leicht für Säuren angriffsfähigen Baumaterialien (Zement usw.) gebaut sind2).
Holzspänchen , die ich in ein durch Verwitterung pulverig zerfallendes, hygroskopisches, Sverkiestes fossiles Holzstück legte,
9 Claessen, Über ein Vorkommen von schädlichen Schwefelverbindungen im Moor des Ritterguts Chinow bei Groß-Bochpol in Pommern. (Mitteilungen des Vereins zur Förderung der Moorkultur im Deutschen Reich. Bd. 13) 1895 S. 444.
2) Vergl. diesbezl. z. B. Bretschneider, Bildung von Schwefelsäure in der Natur und einige Folgeerscheinungen, namentlich auf dem Gebiete der Städte- Entwässerung und Wasserversorgung. (Gesundheits-Ingenieur, Zeitschrift für die gesamte Städte-Hygiene.) München 1909 S. 294,
I. Chemisches über Humus.
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zeigte schon nach einigen Wochen Spuren der echten Ver¬ kohlung und sind dann mehr oder minder holzkohlig geworden. Das wäre eine im Laboratorium vorgenommene Nachahmung von Verhältnissen, wie sie auch die Natur bieten kann, ob freilich so generell, daß daraus viele der fossilen und subfossilen Holzkohlen- Vorkommnisse erklärbar werden, ist schwer zu sagen. Die Bildung von H2SO4 durch die Lebenstätigkeit der Schwefelbakterien (z. B. Beggiatoa , Pseudomonas ( Chromatium ) Okenii ), die vorhandenen Schwefelwasserstoff unter O-Zutritt in H2O und S zerspalten, welch letzteren sie zu H2SO4 oxydieren, wodurch sie ihre Betriebs¬ kraft gewinnen (wie andere Pflanzen durch die O-Atmung und Erzeugung von CO2), kommt hier aber nicht in Frage.
Außer an 1. Dehydratisierung und 2. Brand durch direkte Zündung wäre, wie schon angedeutet, 3. noch an Selbstentzündung zu denken. Hierbei findet eine echte Verkohlung statt, mit Er¬ haltung der Zellstruktur der verkohlten Teile *).
R. von Fischer- Benzon berichtet2) von Holzkohlen in einem Moor, die zusammen mit Dopplerit vorkamen. Von diesem sagt er: »Als ich ihn zuerst erblickte, hielt ich ihn, wegen der großen Zahl von ringsherum liegenden Holzkohlen .... für Pech, das aus den Kieferstubben ausgeschwitzt war«. Auch Weber (1. c. S. 12) beschreibt in der einen Schicht, in der »einzelne Feuerkohlen von Fichtenholz« liegen, eine Lage von Dopplerit. Es ist begreiflich, daß die Luft in den kleinen Räumen von Holzkohle festgehalten wird, wodurch ein Eindringen von Humuslösungen in die geblie¬ benen Zellräume unmöglich wird. Es ist daher begreiflich, daß sich sowohl in Torfen wie in so stark inkohlten Medien, wie die Glanzkohle eines ist, doch Holzkohle vorfindet.
J) Die Literatur über Selbstentzündung ist sehr groß. Eine gute ältere Mitteilung stammt von Ranke, betitelt »Experimenteller Beweis der Möglichkeit der Selbstentzündung des Heues (Grummets)« S. 361 — 368 der Annalen der Chemie und Pharmazie. Leipzig und Heidelberg 1873. Vergl. auch Mikhe, Die Selbst¬ erhitzung des Heues. Jena 1907. Ferner Boekholt und Ott de Vries, "Über die Selbsterhitzung des Heues (Zentralblatt für Bakteriologie). Jena 1904, 1906, 1907 u. 1908. Vergl. auch Band 1 S. 5 f.
2) F iscitku- Benzon, Die Moore der Provinz Schleswig-Holstein. Hamburg 1891 S. 12.
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I. Chemisches über Humus.
Früh hat im chemischen Verhalten der rezenten Holzkohle und der Faserkohle einen Unterschied gefunden. Herr Dr. R. Loebe (Chemiker), hatte die Freundlichkeit, für mich eine Nach¬ prüfung vorzunehmen. Er schreibt mir: »Zur Untersuchung lag vor 1. gewöhnliche Köhler-Holzkohle, 2. selbsterzeugte Holzkohle und 3. Faserkohle aus der Steinkohle.
Zu 1. Die Holzkohle wurde gepulvert. Beim starken Erhitzen im Rohr gibt sie weiße, nach Teer riechende Dämpfe ab. Sie enthält also noch teerige Bestandteile. Bei der Behandlung mit einer ca. 20-prozentigen Hypochlorit-Lösung entsteht eine Braun¬ färbung, indem die noch darin enthaltenen, noch nicht zersetzten organischen Substanzen in der alkalischen Flüssigkeit gelöst werden. — Zu 2. Die Holzkohle, durch trockne Destillation von Holz¬ spänen von mir selbst hergestellt, enthält außer Kohlenstoff und den anorganischen Bestandteilen keine organischen Substanzen mehr. Dies steht im Einklang mit ihrem Verhalten gegen Hypo¬ chlorit. Sowohl in der Kälte wie in der Wärme bleibt die Hypo¬ chlorit-Lösung unverändert. — Zu 3. Die Faserkohle verhält sich wie reine, d. h. von organischen Bestandteilen reine Holzkohle, sie färbt das Lösungsmittel nicht.« — Es ist begreiflich, daß fossil Holzkohle Vorkommen kann, die zunächst noch die Eigenschaften der Probe 1 zeigten, denn bei Bränden geht natürlich je nach der Hitze und dem mehr oder minder weitgehenden Abschluß vor Sauerstoff1 die Verkohlung mehr oder minder weit, oder die Sub¬ stanz verbrennt vollständig und hinterläßt nur Asche. Da also in der Natur an Brandstellen alle Übergänge Vorkommen müssen, erklärt sich das Resultat Früh’s sehr leicht im Gegensatz zu dem¬ jenigen Loebe's, der offenbar eine stärker verbrannte Probe in Händen hatte. Danach ist ein wesentlicher Unterschied zwischen Holz- und Faserkohle nicht vorhanden, wie das auch aus der mikroskopischen Untersuchung hervorgeht1). Unter den üblichen, durch Pilze nicht gar zu weit gestörten \ erhältnissen geht das Holz leicht einer Inkohlung entgegen. Schon die Verholzung an sich, d. h. die Umbildung von Cellulose in Lignin ist ein Vorgang, der dadurch an die Inkohlung erinnert, als dabei Wasser und
J) Vergl. Potonie, Entstehung der Steinkohle. 5. Aufl. 1910 S. 7 Fig. 3.
I. Chemisches über Humus.
29
Kohlendioxyd ausgeschieden wird und eine Anreicherung von Kohlenstoff stattfindet1). Es ist nun bekannt, daß das Holz von Baumstämmen vieler Arten (bei den »Kernhölzern«) sich in ein zentrales, dunkler gefärbtes »Kernholz« gegenüber dem noch lebens¬ fähigen, hellen peripherischen »Splintholz« unterscheidet und diese Kernholzbildung bedeutet eine normal schon zu Lebzeiten statt- findende noch weitere Anreicherung von Kohlenstoff*.
Auch bei der Zersetzung des Torfes findet mit der Zeit eine Kohlenstoff-Anreicherung statt. In einem und demselben Torflager schon läßt sich zeigen — H. von Feilitzen hat das 1898 chemisch geprüft — , daß mit zunehmender Tiefe und steigender Zersetzung der C-Gehalt zu- und der H-Gehalt abnimmt.
Die folgende Zusammenstellung2) ergibt in Prozenten der aschenfreien Substanz von dem lebenden Material bis zum An¬ thrazit eine regelmäßige Zunahme des C-Gehaltes und eine Ab¬ nahme des H- und O-Gehaltes,
C H O(-bN)
Holz (rund nach E. Gott¬
lieb 1883) . 50 6 43 — 44,5 (+0,04 — 0,1)
Torf . 59 6 33 (+ 2)
Braunkohle . 69 5,5 25 (-f- 0,8)
Steinkohle . 82 5 13 (0,8)
Anthrazit . .95 2,5 2,5 (-+- Spur)
Das sind Durchschnitts- Analysen : Es gibt alle denkbaren Übergänge zwischen ihnen, zwischen Holz und Torf, Torf und Braunkohle, Braunkohle und Steinkohle, Steinkohle und Anthrazit.
Als Beispiel sei nur die erste Lücke C Frisches Eichenholz besitzt in |
gefüllt: H |
(0 (-1- N) |
|
Prozenten . |
50,2 |
6,1 |
43,8-44,0 |
Hellbraun zersetztes Eichenholz Halbvermoderte Laubblätter |
53,6 |
5,2 |
41,2 |
(nach Berthelot3) . . . Dunkelbraun zersetztes Eichen- |
54,0 |
5,83 |
38,14 (+2,03) |
holz . |
56,2 |
4,9 |
38,9 |
9 Sachsze, Lehrbuch der Agrikultur-Chemie. Leipzig 1888 S. 283 — 284.
2) Zum Teil nach Muck, Chemie der Steinkohle, 2. Auflage 1891 S. 2.
3) Berthelot, Comptes rendus de Facademie des Sciences Paris 1905.
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II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
Die so oft gebotene Reihe Torf, Braunkohle, Schwarz- (Stein-) Koh 1 e, Kohlenblende (Anthrazit) in der Absicht, damit auszudrücken, daß aus Torf Braunkohle, aus dieser Schwarz¬ kohle usw. werden kann, ist durchaus berechtigt (Näheres in Potonie, 1. c. 5. Aufl. 1910 S. 95 f.).
Ein dauernd gut abgeschlossen gewesener Torf ist braun oder braunschwarz (vergl. vorn S. 6). Nach seiner allmählichen Er¬ härtung und Wasserverlust erhalten wir daher zunächst ein braun- kohlenähnliches Material und schließlich Braunkohle. Weiter in Richtung der Inkohlung zersetzte tertiäre Kohlen, namentlich wenn sie bei der Gebirgsbildung einem Druck ausgesetzt waren, sind bereits schwarz-(stein-)kohlig, wie üblicherweise die Kohlen des Carbons usw. Es ist zu berücksichtigen, daß Torfe unter etwas anderen Bedingungen in der Humation so vorgeschritten sein können, daß sie schon schwarz sind; sie würden in schnellerem Tempo Schwarzkohlen liefern. Die schroffen Unterschiede, die oft zwischen Torf, Braun- und Steinkohlen usw. behauptet werden, sind nicht vorhandeu. Sie beruhen in erster Linie darauf, daß die älteren Humusgesteine (Schwarzkohlen) längere Zeit zur Ver¬ fügung gehabt haben, durch Selbstzersetzung ihren Kohlenstoff anzureichern, und untergeordneter darin, daß eine geringe chemische Verschiedenheit der die Humusgesteine bildenden Vegetationen vorhanden gewesen sein muß, indem z. B. Carbon-Pflanzen, wie es scheint, noch kein Harz erzeugten, die Tertiärpflanzen dies aber reichlich taten (vergl. Näheres bei Potonie 1. c. 5. Aufl. 1910, besonders S. 99 f.).
JI. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
Zu dem im Vorausgehenden über den in der Überschrift ge-
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nannten Gegenstände schon Gesagten ist noch das Folgende näher auszuführen. Wie wir sahen, lösen sich gewisse Humusstoffe, sei es in reinem Wasser, sei es in Wasser, das gewisse mineralische Substauzen, besonders Alkalien, in Lösung enthält. Solche Humus¬ lösungen können an der Stelle, wo sie gebildet werden, also in den Humusablagerungen selbst wieder zur Ausfällung gelangen
IT. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
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und in reinster Form »Dopplerit« erzeugen. Werden die Humus- Bestandteile der Humuslösungen jedoch nach dem Eindringen des lösenden Wassers in größere Bodentiefe erst dort und zwar unter dem Humuslager niedergeschlagen, so erhalten wir »Ort «-Bil¬ dungen. Endlich können aber die Humus-Hydrosole auch in Wasserläufen — bei dunkler Färbung »Schwarzwässer« ge¬ nannt — weit weggeführt werden und beim Zusammentreffen mit Wässern anderer Zusammensetzungen zum Niederschlag gebracht werden. Danach sind zu behandeln 1. die Schwarzwässer, 2. der Dopplerit und 3. die Ortbildungen.
1. Scliwarzwässer.
In der freien Natur spielen nicht nur die festen Humusstoffe, sondern auch die löslichen, wenigstens für das Auge eine beträcht¬ liche Rolle, denn die Gewässer, Bäche und Rinnsale, die in Mooren oder in großen Waldgebieten ihren Ursprung nehmen oder durch solche reichlich Humus produzierenden Gelände fließen, zeigen sich durch in Lösung übergegangene Humussubstanzen, die die Wässer den Mooren usw. entführen , mehr oder minder hell-, tee- oder kaffeebraun, in dicker Schicht dunkelbraun bis schwarz gefärbt. In Anlehnung an Volksbezeichnungen seien solche Wässer als Scliwarzwässer bezeichnet (Irlands » black - waters « , in Mooren auch Moorwasser und Torfwasser genannt). Die Ilse im Harz z. B., die ihr Wasser aus den Brockenmooren bezieht, ist oft humusbraun, viele Rinnsale der Lüneburger Heide sind Scliwarzwässer, schottische Seen u. a. , deren Zuflüsse aus ver- torften Regionen kommen, Moorseen und Tümpel desgleichen. Mehrere Nebenflüsse des Congo, des Orinoco, des Amazonas usw. usw. sind Schwarzwasserflüsse. Ein Nebenstrom des letzteren, der Rio Negro, verrät dies schon durch seinen Namen, überhaupt viele tropische Flüsse sind — im Gegensatz zu den Weißwasser¬ flüssen (Rio Branco) — namentlich zur Regenzeit durch Fort¬ spülung der löslichen Humusprodukte braun1). Das Wasser der
b Eine eingehende Besprechung, insbesondere über »Die schwarzen Flüsse Südamerikas« bietet Josef Reindl München 1903. Ein kürzerer Aufsatz über den Gegenstand aus der Feder des Genannten findet sich in der Naturwissen¬ schaft!. Wochenschrift. Jena 4. Juni 1905.
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II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
Sümpfe und Flüsse von Sumatra ist — wie mir Herr Dr. Josef Erb sagt — hellkaffeebraun. Der Amur heißt bei den Tartaren wegen seiner Farbe Sachalin, d. h. Schwarzfluß (nach Reindl 1905 S. 355). Kurz die Beispiele ließen sich hier sehr häufen. Daß die Namen europäischer Flüsse, so des »Eau Noire« (eines Neben¬ flusses der Maas), des »Zwarte Water« (in Holland), sich ebenfalls oft genug auf ihre Eigenschaft als Schwarzwässer beziehen, sei ebenfalls erwähnt. Bemerkenswert ist, daß das Congo- Wasser sich durch seine braune Farbe im Meere noch 440 km weit von der Küste entfernt bemerkbar macht und durch sein geringeres spezi¬ fisches Gewicht sogar noch 660 km weit1). Auch manche Wässer, die es nicht gleich durch ihre Färbung verraten, können Humus¬ substanzen gelöst enthalten, wie gewisse Quellwässer, deren gelb¬ brauner Bodensatz im wesentlichen diese Substanzen enthält. Die Quantität löslicher Humusstoffe, die von den fließenden Gewässern abgeführt wird, ist sehr beträchtlich. O. Aschan (1. c. 1907 S. 57) gibt 1400 Millionen Kilogramm an, die alljährlich allein aus Finnland in den Bottnischen und Finnischen Meerbusen ge¬ langen. Einen Spezialfall, den Müntz und Marcano2) untersucht haben, ergab 0,028 g organische Substanz im Liter Schwarz wasser. Nach den Experimenten Steuert s (Naturwiss. Zeits. f. Land- u. Forstwiss. 1903) mit Karpfen und Forellen zeigte sich, daß sie lange Zeit in stärkeren Humuslösungen leben können, als sie in der freien Natur Vorkommen.
Die im Kapitel Chemisches über Humus angegebenen Eigen¬ schaften über die Lösungsfähigkeit von Humusbestandteilen machen es verständlich, daß sich Schwarzwässer nur auf kalkfreiem Ur¬ gestein, granitischen Gesteinen, Sandstein, Tonstein usw. finden, aber nie auf Kalkboden. Silikatgesteine enthalten Alkalien, die lösliche Humusabsorptionsverbindungen eingehen. Ein Niederschlag erfolgt insbesondere mit Eisen- und Kalkwasser. Nach Müntz und Marcano3) verliert ein Schwarz wasserfluß, sobald er auf Kalk-
1) v. Schleinitz, Annalen für Hydrographie II S. 301.
3) Müntz u. Marcano, Eaux noires des regions äquatoriales (Paris, Compt. rend. de l’Academie 1SS8 S. 908).
3) 1. c., vergl. auch Reindl 1. c S. 128 — 129.
II. Natürliche Humus-Lös liegen uud -Niederschläge.
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boden Übertritt, nach kurzem Lauf seine braune bezw. »schwarze« Farbe und wird ein Weiß wasserfluß. Das Bett der Schwarz¬ wasserflüsse ist weiß oder doch hell, das der Weißwasserflüsse schwarz, sofern sie Schwarzwasser aufnehmen. In gleicher Iiichtung wirkt auch in Wasser gelöstes Ferrocarbonat. Das Fehlen von Schwarzwasser-Flüssen auf Kalkboden sowie die Entfärbung der¬ selben beim Betreten von Kalkboden führt sich auf den Ersatz der Alkalien in den Humuslösungen durch Calcium und Magne¬ sium zurück, und die Calcium- und Magnesium-Humus- Verbin¬ dungen fallen als schwer löslich aus; »die weiße Farbe des Bettes der Schwarzwasserflüsse erklärt sich daraus, daß die Verbindungen der Lösungsprodukte der Silikat-Gesteine mit Humussäure überaus leicht löslich sind, daher in Lösung bleiben« und das kohlendioxyd¬ haltige »Wasser die Silikat-Gesteine resp. deren zersetzbare Mine¬ ralien immer weiter löst; es bleibt weißliche Kieselsäure zurück«. »Die schwarze Farbe des Bettes der . . . Weißwasser-Flüsse dagegen führt sich auf die Ausfällung der schwer löslichen« Cal¬ cium- und Magnesium-Humate zurück (Reindl). Die meisten der in den betreffenden Gewässern vorhandenen Humusbestand¬ teile werden bei der Bewegung des Wassers, die die gelösten Teile in einemfort mit dem Sauerstoff der Atmosphäre in Berührung setzt, zum Verschwinden gebracht; ebenso werden daun allermeist, wenn beim Zusammentreffen von Schwarzwässern mit Wei߬ wässern Humusfällungen stattfinden, diese sich bei der Bewegung des Wassers und der damit verbundenen stäudigen Sauerstoffzufuhr vollständig oxydieren. Es liegt aber bei der Häufigkeit der Er¬ scheinung von Schwarzwässern nahe, an die gelegentliche Ent¬ stehung von Humus, also auch Kohlenlagern durch Niederschlag von Humus zu denken. Inwieweit das in reicherem Maße so stattfindet oder stattgefunden hat, daß daraus bestehen bleibende Humuslager hervorgegangen sind, wäre eine verdienstliche Unter¬ suchung. Es ist beachtenswert, daß nach Steuert (1. c. 1903) die Zersetzbarkeit der löslichen Humussubstanzen nicht so groß ist, daß sie rasch allen in Wasser absorbierten Sauerstoff bindet. Unter besonders günstigen Bedingungen vermöchten daher recht
3
Neue Folge, Heft 55. II.
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II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
wohl durch Niederschlag ansehnlichere Lager zu entstehen: Sicher aber spielen sie keine irgendwie hervorragende Rolle, übrigens sind Humusniederschläge auch bei Wasserverlust (vergl. unter Dopplerit) und bei größerer Kälte zu denken, da kaltes Wasser weniger Humus löst als warmes. L. Meyn (1. c. 1876 S. 124) glaubt, daß die braunen Wasser der holsteinischen Flüßchen durch Berührung mit Seewasser einen kleinen organischen Niederschlag erzeugen. Die organischen Bestandteile des Schlicks im Watten- rneere — etwa Ü20 seines Volumens — würden nach Meyn im wesentlichen auf »Humussäuren« zurückzuführen sein, die sich mit den Kalk- und Talkerdesalzen des Meeres verbindend niederschlagen. Gewiß wird in dieser Weise der Gehalt an organischem Material im Schlick beeinflußt werden können, allein in dem in Rede stehen¬ den Fall kommt als Beitrag in erster Linie die Einbettung der im Wattenmeere lebenden Organismen in Frage (vergl. Band I S, 71 u. 234). Auch Meyn selbst spricht später selbst davon1).
Wenn nun C. Eg. Bertrand2) die Meinung ausspricht und diese zur Erklärung der Genesis einer Anzahl von Kohlen der Cannel-Kohlen-Gruppe mit verwertet, daß nämlich die schwarz- braune, homogene Grundsubstanz dieser Kohlen durch Niederschlag aus braunen Wässern entstanden sei, so berücksichtigt er nicht, daß auch die reiferen Torfe eine solche Grundsubstanz besitzen, die aus den verflüssigten Pflanzenresten an Ort und Stelle hervor¬ gegangen ist. Diese verflüssigte und nachher wieder verfestigte Masse inkohlt die noch figuriert erhaltenen Pflanzenteilchen sowohl im Torf wie in der Steinkohle. Bertrand geht so weit, auf Grund seiner Annahme, diejenigen Kohlen, die sich unter dem Mikroskop wesentlich aus solcher homogenen Grundsubstanz (der gelee brune B. ’s) gebildet zeigen, mit dem besonderen Namen » charbons humiques« zu belegen. Er sagt (1. c. S. 28): Die Homogenität der Kohle könne nicht auf eine sehr weit vorgeschrittene Zerset-
') Meyn, Die Bodenverhältnisse der Prov. Schleswig-Holstein 1S82 S. 34—35.
3) Eine Zusammenfassung seiner Ansichten bietet Bertrand in seinen »Pre- mieres notions sur les charbons de terre« (Bulletin de la Soc. de l’Industrie Minerale. St. Etienne 1897). In dieser Übersicht ist auch die Literatur der aus¬ führlicheren Arbeiten angegeben.
II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
35
zuug der Pflanzenteile zurückgeführt werden, da — wenn figurierte Pflanzenreste vorhanden seien — diese sich sehr gut erhalten zeigten. Dieser Beweggrund ist durchaus nicht stichhaltig, da — wie gesagt — rezente, durchaus autochthoue Humusbildungen und auch Sapropelite oft genau das Gleiche aufweisen. Uns sind demnach vor der Hand keine sicheren Kohlen bekannt, die im wesentlichen auf chemische Fällungen aus transportierten Lösungen zurückzuführen wären, ganz entsprechend dem, was wir aus der Gegenwart kennen.
2. Dopplerit1).
Gelegentlich können sich die gelösten Humusstoffe so rein niederschlagen, daß ein Mineral entstellt, das bei seiner Auffällig¬ keit von Haidinger 1851 den besonderen Namen Dopplerit (Torfleber der Torfstecher [nach Gümbel, Geol. v. Bayern 1894 S. 303], Torfpech kohle Gümbel's) erhalten hat. Es liegt sehr nahe anzunehmen: der Dopplerit sei weiter nichts als die homo¬ gene Grundsubstanz des Torfes, wenn sie für sich in augenfälliger Menge auftritt, und Früh2) meinte, es gäbe alle Übergänge von Torf durch Torf mit pechartig kompakten Stellen bis zu dem im bergfeuchten Zustande gallertigen Dopplerit. Im Torflager bei Kainisch (uuweit dem Markt Aussee in Steiermark), von woher der Dopplerit zuerst beschrieben wurde, ist ein gleichmäßiger Übergang von Torf in Dopplerit nicht vorhanden; er füllt dort und sonst im Flachmoortorf Spalten und Risse aus und ist in Nestern ab¬ geschieden (Fig. 1). Das lehren nach Rud. Miklauz8) auch die Analysen, nach welchen der Dopplerit chemisch dem ihn über¬ lagernden Sphagnetumtorf viel näher steht, als dem ihn einschließen-
9 Vergl. über Dopplerit besonders: Früh, Torf u. Dopplerit 1883; Kauf¬ mann, I ber den Dopplerit von Obbürgen (Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt Wien 1S65); Claessex, Chemiker-Zeitung 1898 S. 523; Demel, 1. c. S. 558; Adolf MAYER-Wageningen, Landvv. A7ers.-Stat. 1903 Heft III u. VI S. 171; Früh in Früh u. Schröter, Moore der Schweiz 1904 S. 164 — 168.
2) Früh, Kritische Beiträge zur Kenntnis des Torfes (Jahrb. d. k. k. geol. Reichsanst.) Wien 1885 S. 687.
3) Miklauz, Beiträge z. Kenntnis d. Humussubstanzen (Zeitschrift für Moor¬ kultur u. Torfverwertung 1908 S. 39).
3*
Profil eines Torflagers bei Aussee in Steiermark.
Nach einer mir freundlichst von Hrn. Dr. V. Zailer gesandten, von ihm gefertigten Photographie.
»Die schief von links nach rechts verlaufenden Risse enthalten stark eingetrock¬ neten Dopplerit, ebenso sind einzelne Aste von LegföhrenT von einem Dopplerit- mantel umgeben Der rissige Carextorf (C) ist häutig von Doppleritkörnchen durchsetzt, weshalb auch seine Zusammensetzung ähnlich der des Dopplerits' ist. Im Sphagnumtorf (S) fehlen die Risse. Links im Bilde sind entlang des herab¬ fließenden Sickerwassers doppleritähnliche (gallertweiche, schwarze) Ausschei¬ dungen sichtbar.« (Zailer)
K = Moorkreide, Sk = Saprokoll, P = Schicht mit viel Holzresten von Pinus
montana, E = Eriophoretumtorf.
II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge. 37
den Flachmoortorf. Unter dem Mikroskop sieht der Dopplerit ganz homogen aus, nickt krümelig, abgesehen natürlich von den nicht vollständig zersetzten, noch figuriert erhaltenen Pflanzen¬ teilchen, die hinein geraten sein mögen. Nach Früh wäre der Specktorf (Pechtorf) ein (sehr verbreitetes) Übergangsglied zum Dopplerit, das sich von diesem nur dadurch unterscheiden würde, daß der Specktorf noch sehr viele figurierte Bestandteile enthält. Er ist durch hohe Reife plastisch gewordener Torf, der im allgemeinen die unteren Torf lagen auszeichnet und fein ver¬ teiltes Pflanzenmaterial birgt.
Der Dopplerit hat sich nach und nach in so vielen Mooren — insbesondere in den liegendsten Partien derselben — gefunden, daß eine Aufzählung der Fundpunkte nicht verlohnt. Ich selbst kenne ihn besonders aus den unteren Partien nordwestdeutscher aber, wenn auch untergeordneter, auch aus ostpreußischen Mooren.
Lufttrocken ist der Dopplerit äußerlich durch seine Festigkeit, seinen Glanz und muscheligen Bruch von Steinkohle, spezieller von Glanzkohle, nämlich Humussteinkohle kaum zu unterscheiden. Er ist chemisch ebensowenig eine einfache Verbindung wie die Stein¬ kohle. Kaufmann (1865) nennt den Dopplerit ein der Steinkohlen¬ bildung vorausgehendes Stadium. Der reine, bergfeuchte Dopp¬ lerit ist geleeartig. Er macht durchaus den Eindruck, als sei er ein Niederschlag von in Lösung befindlich gewesenen Humusstoffen; nicht nur sein Vorkommen in kleinen Gängen im Torf und nester¬ weise — auf Torfprofilen als Flecken auftretend (Früh’s Marmor¬ torf), — die Möglichkeit seiner künstlichen Fällung aus gelösten Humuskörpern und schließlich die Infiltrierung von Nebengestein mit Dopplerit wie im Sand an der Sohle des Papenburger Moores (Weber, Augstumal, 1902 S. 215 Anm.) weisen darauf hin und Fischer- Benzon (1. c. 1891 S. 55) spricht von Dopplerit, der bei Lillemose Spalten im Liegenden des Torfmoores ausfülle. C. A. Weber1) teilt den Fund einer Totenurne aus einer von dem Moore überwachsenen Begräbnisstätte mit, die mit Dopplerit erfüllt war.
9 Weber, Die Darstellungen der Moor- Versuchsstation auf der Ausstellung für Moorkultur und Torfindustrie in Berlin vom 15. — 21. Februar 1904 (Mitt. des Ver. z Fjord, d, Moork i. Deutschen Reiche 1904 S. 14).
38 II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
Daß der Dopplerit — wie schon angedeutet — gern die unteren Lagen in Torfschicliten aufsucht, ist nicht minder charakteristisch für das Gesagte. Die chemische Analyse des Dopplerits ergibt seine Ubereinstimmurg mit »Huminsäure«. Eine bestimmte Humin¬ säure zeigt im Vergleich zu Dopplerit die folgende Zusammen¬ setzung1):
Huminsäure . . . 56,3-59,0 % C 4, 4-4, 9 % H 2,8-3,6%N 32,7-36,0° oO eine andere Probe Hu¬ minsäure .... 59,7 » » 4,5 » » 0 » » 35,8 » »
Dopplerit .... 58,2 » » 5,0 » » 0 » » 36,8 » »
Miklauz (1. c. S. 39) vergleicht chemisch-analytisch den Dopp¬ lerit mit dem Flachmoortorf ( » Carex-T or f«) , in welchem er bei Kainisch vorkommt, und dem überlagernden Sphagnetumtorf. Er findet folgende Zahlen:
Sphagnetumtorf . . . 56,38 % C 4,96% H 1,56% N 37,10% 0
Dopplerit . 57,65 » » 4,62 » » 1,12 » » 36,61 » »
Flachmoortorf .... 55,79 » » 5,34 » » 2,78 » » 36,09 » »
Die Zahlen stimmen meines Erachtens zu weitgehend überein, als daß man aus den Analysen besondere Winke über die Herkunft des Dopplerits etwa aus Hochmoortorf allein entnehmen könnte. Früh faßt (Moore der Schweiz 1904 S. 168) seine Ansicht über den Dopplerit in die Sätze zusammen: »Der ganze Vertorfungs¬ prozeß tendiert zur Bildung von freien Humussäuren, Humaten und indifferentem Humin. In großen Massen findet man diese lokal gebildeten und vom Wasser dislozierten Produkte vereinigt innerhalb der tieferen Partien der Moore selbst, auf dem Unter¬ gründe oder in demselben, partiell werden sie durch Drängwasser aus den Mooren entfernt oder in mäßiger Tiefe als Humusortstein deponiert.«
Der Dopplerit wurde von gewissen Autoren als ein Calcium- Humat angesehen, jedoch liegt die Sache so, daß Dopplerit in allen Mooren entsteht: sowohl in solchen, deren Wasser keine oder kaum mineralische Bestandteile in Lösung enthalten, als auch in solchen, die reich an diesen Bestandteilen sind. In dem zuletzt genannten Falle können dann natürlich auch sogenannte Kalklmmate
J) Mayer, Bodenkunde. 5. Aufl. Heidelberg 1901 S. 76.
11. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge. 31)
entstehen. Darauf weist auch die Tatsache hin , daß eine mir vorliegende Probe von Aussee sieb in L^COg nicht löst, sondern stückig bleibt und nur eine ganz schwachgelbe Flüssigkeit ergibt, während anderer Dopplerit ebenso wie künstlich durch HCl nieder¬ geschlagene »Humussäure« sich tiefbraun löst. Kolloidale Lösung geht beim Zunehmen der Konzentration ohne weiteres in Gallerte über, so daß niederschlagende Mittel nicht nötig sind. Auch ohne weiteres scheinen natürliche Humuslösungen die Humussubstanzen allmählich auszufällen, denn bei einer Probe Schwarzwasser aus einem Moor der Lüneburger Heide, die ich seit 1905, ohne daß eine Farbenäuderung wahrnehmbar gewesen wäre, in der Samm¬ lung aufbewahre, verminderte sich die Niederschlagsmenge, die bei Zusatz von HCl zu gewinnen ist, von Jahr zu Jahr. Besonders jetzt nach 6 Jahren ist der Niederschlag sehr gering und fällt erst nach längerer Zeit sichtbar aus. Es hat sich in den 6 Jahren aber von selbst ein Niederschlag ausgeschieden, der nicht so volu¬ minös ist wie der durch HCl hergestellte, sondern dichter. So muß es auch mit dem die Torfe durchtränkenden Schwarzwasser sein und dem Wasser, das sich in eventuellen Spalten sammelt.
Nach seinem Vorkommen, seiner Beschaffenheit und seinen Eigenschaften halte ich daher den Dopplerit für niedergeschlagene, in Lösuug gewesene Humusstoffe, die auch reifen Torf, je reifer je mehr, durchsetzen und die eben im reinen Zustande, wo Ge¬ legenheit ist, sich in Spalten u. dergl. abzusetzen, als »Dopplerit« erscheinen. Spalten in Torflagern entstehen bei Eintritt einer stark ausgesprochenen Trockenperiode, oder wenn kleine Rutschun¬ gen oder sonstige Bewegungen in den Torflagern stattfinden; die entstehenden Spalten letzter Art füllen sich im Verlauf der Ent¬ stehung gleichzeitig mit Schwarzwasser, die dann Dopplerit nieder- schlagen, der sonst sich im Torf selbst immer mehr und mehr anreichert, so daß er in der Tat immer doppleritischer wird. Gewisse Kohlen, deren subfossiler Zustand der des Torfes gewesen sein muß, die aus Torf hervorgegangen sind, haben dementsprechend unter Umständen einen sehr doppleritischen Habitus, der sich naturgemäß steigern muß, wenn das subfossile Urmaterial schon
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II. Natürliche Hiunus- Lösungen und -Niederschläge.
doppleritischcr Torf war. Homogen zersetzte Humuskohlen näiiern sich in der Tat der doppleritisehen Beschaffenheit, aber auch diese Kohlen scheiden sich noch je nach der Natur der Urmaterialien in rtiehr oder minder homogene, man könnte sagen doppleritische. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß solche »Doppleritkohlen«, wie man sie nennen könnte, infolge der der Torfbeschaffenheit gegeu- über fortgeschritteneren Selbstzersetzuug O-ärmer sind. Der »fossile Dopplerit« ist also chemisch natürlich ebensowenig das¬ selbe wie rezenter Dopplerit, genau ebenso wie Torf in chemischer Beziehung aus dem angegebenen Grunde nicht dasselbe wie eine Humussteinkohle ist, die aber aus Torf hervorgegangen ist.
Bei der fest-gallertigen Beschaffenheit, die an die von Saprokoll erinnert, kann Dopplerit mit Saprokoll namentlich mit Dopplerit- Saprokoll verwechselt werden und das ist auch geschehen. Was J. A. Smythe unter der Bezeichnung »Schwarzer Stoff« (black stuff) beschreibt1) und mit Saprokoll vergleicht, ist offenbar Dopplerit. Die Lagerungsverhältnisse in Taschen und Spalten eines sandigen Tons im Liegenden eines Torflagers, ferner die unter dem Mikroskop homogen erscheinende Substanz ohne figu¬ rierte Bestandteile usw. lassen erkennen, um was es sich gewiß handeln dürfte. Umgekehrt ist Saprokoll für Dopplerit ge¬ halten worden, so von Kosmann2). In einer Arbeit von F. Cornu 3) finde ich die Angabe, der Dopplerit sei bereits Martin Heinrich Klaproth und zwar aus Ostpreußen bekannt gewesen. Wegen der gelegentlichen Verwechselung des Dopplerits mit Saprokoll, das in Ostpreußen sehr häufig ist, war für mich die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß Klaproth Sa¬ prokoll in Händen gehabt haben könnte. Bei dem Interesse, den das haben müßte, habe ich daher nachgeschlagen und finde vollauf
0 Smythe, On peaty deposits from a pit fall at Tantobie, County Durham (Proceedings Univ. Durham Philosophical Society. Newcastle-upon-Tyne 1907).
2) Kosmanjs, Die Aufdeckung eines älteren Torflagers bei Offleben (Deutsche Geolog. Gesell. Berlin 1895).
3) Coknu, Über die Verbreitung gelartiger Körper im Mineralreich, ihre chemisch-geologische Bedeutung und ihre systematische Stellung (Zentralblatt lur Mineralogie usw. Stuttgart 1909).
II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
41
bestätigt, daß schon Klaproth in der Tat vor mehr als 100 Jahren Saprokoll als etwas Besonderes erkannt hat1). Da das ein beson¬ deres historisches Interesse hat, sei die Gelegenheit benutzt, einen Nachtrag zu dem in Bd. I des vorliegenden Werkes über die
o o
Sapropelite Gesagten zu bringen.
Der genannte hervorragende Chemiker beschreibt das neue Mineral für seine Zeit so eingehend und trefflich, daß die Er¬ kennung desselben als Saprokoll auch nicht die geliudeste Schwierig¬ keit macht. Es ist eigenartig, daß diese Mitteilung so vollständig ohne Wirkung auf Geologie, Mineralogie, insbesondere auf die Moorkunde geblieben ist, denn erst 100 Jahre später habe ich nachdrücklicher und mit mehr Wirkung darauf hingewiesen, daß die Sapropelite von den Torfen getrennt werden müssen. Die äußere Charakteristik des neuen Minerals verdankt Klaproth, der wohlgemerkt von einem »neuen brennlichen Fossil« spricht, im Gegensatz zum Torf (!), C. R. Karsten. Das brennliche Fossil, sagt dieser, sei im noch feuchten Zustande bräunlich-schwarz, es käme in ganzen Lagern vor (Dopplerit ist, wie gesagt, nur in kleinen Mengen, Spalten ausfüllend und nesterweise auftretend bekannt. — P.), und sei von einzelnen vegetabilischen Resten durchzogen, es schimmere fettig, der Bruch sei im ganzen schiefrig, der Querbruch eben usw. Im lufttrocknen Zustande sei das Material graulich-schwarz, matt, der Bruch eben, dem muschligen sich ein wenig nähernd, der Strich nelkenbraun, fettigglänzend usw. — Klaproth fährt dann fort, das Mineral habe sich auf dem Gute Glithenen bei Bartenstein in Ostpreußen als Lager unter Torf gefunden. (Es handelt sich also um ein zunächst durch Sapropel, sodann durch Torfbildung verlandetes Wasser; gleiche Profile sind ja in Ostpreußen und sonst bei uns etwas Gewöhnliches. — P.) Er vergleicht die Konsistenz seines Saprokolls sehr gut mit der des gekochten Eiweißes. »Es läßt sich mit dem
0 Klaproth, Chemische Untersuchung eines neuen brennlichen Fossils aus Ostpreußen (Neues allgemeines Journal der Chemie Band I S. 471 f., wieder ab¬ gedruckt in Klaprotii’s Beiträgen zur chemischen Kenntnis der Mineralkörper Band 4 1807 S. 375-387).
42 11. Natürliche Humus-Lösufigefi und -Niederschlage.
Messer leicht glatt schneiden, ohne daß etwas an der Klinge hängen bleibt, und in sehr dünne Scheiben geschnitten hat es die Durch- scheinbarkeit eines trüben Horns«. Auch Samen hat Klaproth in seinem Saprokoll gefunden. Sehr bemerkenswert ist auch die weitere Charakterisierung Klaproths, daß das Saprokoll beim Austrocknen rissig werde und eine zähe Härte erhalte, »so daß es sich schwer zerbrechen und pulvern läßt«. (Die große Härte, die Sapropel und Saprokoll im lufttrocknen Zustande gewinnen, ist, wie wir Bd. I gesehen haben, sehr charakteristisch, während Dopplerit z. B. in eckige Stücke leicht brechbar bleibt. — P.) »Das getrocknete Fossil behält die Eigenschaft, sich im Wasser wieder zu erweichen.« »Durch Kochen mit Kalilauge läßt sich diesem Körper ebenfalls nur wenig abgewinnen« (während Dopplerit sich unter diesen Umständen fast vollständig zu einer schwarzbraunen Flüssigkeit kolloidal löst. — P.). Für Sapropelite wichtige chemische Eigenschaften hat auch Klaproth schon hervorgehoben, nämlich den nach der Destillation sich ergebenden hohen Gehalt an brenn¬ baren Gasen, den reichen Gehalt eines »empyreumatischen Öls« usw.
Bemerkenswert ist die weitgehende Klarheit und Erkenntnis, mit der Klaproth sein Saprokoll als besonderes Mineral inner¬ halb der Kaustobiolithe erkannt hat. Er sagt »daß die Natur zu dessen Erzeugung anders geartete Materialien angewendet haben müsse, als zu Steinkohlen, Braunkohle und Torf, läßt sich sowohl aus dessen physischer als chemischer Beschaffenheit annehmen. Am meisten scheint es sich jedoch an den Torf anzuschließen.« Die gallertartige Beschaffenheit des Saprokolls, sagt er, »rührt wahrscheinlich von der fein aufgelösten Kieselerde her, die mittels des in sich aufgenommenen Wassers« zu dieser Konsistenz beiträgt. Wir wissen jetzt freilich, daß der gallertartige Zustand auf gal¬ lertigen brennbaren organischen Substanzen beruht.
3. Ort-Bildungen.
Wo in Gesteine lösliche Humusstoffe eind ringen und durch ihre Mitwirkung mitgenommene anorganisch-mineralische Stoffe in einer bestimmten Zone zusammen mit dem gelösten Humus nieder-
It. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
43
geschlagen werden, da sprechen wir von Humus- Ort. Wir unterscheiden ihn in 1 . II u mus-Ortstein a), wenn es sich um feste, harte und 2. in Humus-Orterde, wenn es sich um ihrer Be¬ schaffenheit nach erdige Humus-Ortbildunaren handelt.
Synonyme. — Bei seinem häufigen Vorkommen und dem Interesse, das er in der Forst- und Landwirtschaft hat, die ihn haßt, führen die Ort-Gesteine in den verschiedenen Gegenden verschiedene Namen und zwar Ahl (Ahlerde), Bickerde (in NW- Deutschland), brauner und schwarze r Ort, E isener de, Kraulis (litauisch, von lit. kraüjas das Blut, wegen der oft roten u. braunroten Farbe des Orts), Nor r (holsteinisch), Orterde, Ort¬ grund (de Luc, deutsche Übers. II 1782 S. 282), Ortsand, Pfefferkuchen (ostpreußisch), Saudortstein, Torfsandstein (Förchhammer) und Ur. Mulder sagt (deutsche Übers, von Grimm, 1 1 862 S. 445) schlechtweg Bank. Humus-Ort: Hu m u s - Ortstein resp. Humus- Orter de heißt das Gestein im Gegensatz zum Eisenort, der aber gewöhnlich — wenn auch oft nur schwach — humushaltig ist ; dieser heißt Ei senortstei n resp. Eisenort¬ erde (Branderde, Eisenfuchs, Fuchserde, Fuchsdiele, Fuchsgrund, Glashahn, Knick [Bezeichnung im friesischen Marschlande, s. z. B. Keferstein 1826 S. 45], Roterde, Ziegel¬ erde; bei Senft 1862 S. 169 finden sich noch die Namen Oort, Oehr und Uurt). Zwischen beiden sind alle Übergänge vorhanden. Man könnte typische Mittelbildungen Humus-Eisen -Orter de resp. -Ortstein (Humus fuchs) nennen. Manche von den genannten Ausdrücken beziehen sich auf die verschiedenen Stadien der Ort-Bil¬ dung, je nachdem es sich um Orterde oder um Ortstein handelt. Wieder andere deuten auf die besondere sonstige Boden-Beschaffen¬ heit hin, wie Humussandstein, einen Ausdruck, den wir hier, wo eine generelle Bezeichnung am Platze ist, ebenfalls zu vermeiden
9 P. E. Müller, Studien über die natürlichen Humusformen und. deren Einwirkung auf Vegetation und Boden, Berlin 1887 S. 223. — E. H. L. Krause gibt an (1897, S. 316), um Pultava (Rußland) sage man Ortschtein. Diese Schreib¬ weise ist darauf zurückzuführen , daß Krause die übliche Aussprache des st in Wörtern wie Stein, wie sie in ganz Deutschland im Hochdeutschen üblich ist (nämlich Schtein) schriftlich zum Ausdruck gebracht hat.
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II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
haben, weil Ort-Bildungen — wenn auch seltener — auch in Ton-Böden entstehen. In Frankreich und Belgien sagt man alios (meist Eisenortstein gemeint); der tuf humique Bradfer's1) ist Humus-Ortstein. In Großbritannien ist moorpan gebräuchlich, gelegentlich auch organic grit, in Holland sandoer.
Endlich ist zu der Synonymenliste noch zu bemerken, daß bezüglich der Farben-Namen diese durchaus nicht ohne weiteres Auskunft — je nach ihrer helleren oder dunkleren Tönung — über das Quantum an vorhandenem Humus geben, da es sich um farb¬ lose bis stark gefärbte Humusstoffe handeln kann; sogar Fuchs¬ erde, Roterde usw. — sonst besonders Eisenort — kann Humusort sein oder Eisen-Humus-Ort. Roterde wird besonders gern von P. E. Müller (1. c. 1887) gesagt für einen Humus-Ort. Er sagt (1. c. S. 77) seine »Roterde« enthielte nicht mehr Fe als der un¬ mittelbar darunter liegende Untergrund.
Die Humusstoffe , meist aber die notwendig entstehenden »Humate« bezw. die ausgefällten anorganischen Stoffe, verkitten die Gesteinsteilchen miteinander; der Humus-Ort ist also ein durch gelöste und sodann wieder ausgefällte Humusstoffe und anorganische Minerale verkitteter Sand (auch Ton) usw.; es gibt auch aus Granit-Grus (im Schwarzwald z. B.) gebildeten Ort. Der Humus¬ ort hat nach dem Gesagten natürlich einen höheren Gehalt an organischer Substanz als sein Hangendes und Liegendes. Tuxen gibt z. B. für 3 Fälle in Prozenten den folgenden Humusgehalt an2):
Trockentorf |
Bleichsand |
Ort |
Primärer Untergrund |
1. Fall 34,27 |
1,15 |
3,45 |
1,63 |
2. » 37,34 |
2,63 |
3,91 |
1,32 |
3. » Angabe fehlt |
1,98 |
2,05 |
0,31 |
0 Dieser Autor erweitert den Begriff Tuff (Le tuf humique ou ortstein aux points de vue geologique et forestier. Bull. Soc. Beige Geol. Bruxelles 1903 p. 267 — 295) auf alle Bildungen, die durch Verkittung von lockerem Material entstanden sind. Das ist aber unzweckmäßig, da dann die meisten verfestigten Sedimentär-Gesteine zu den Tuffen gerechnet werden müßten.
2) Tuxen in P. E. Müllkk, N-atürl. Humusformen 1887 S. 113, 115 u. 117.
II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschläge.
45
Haben wir einen mit vermodernden und vertorfenden Pflanzen¬ teilen bedeckten Boden, so werden Humusstofle durch Regen¬ wasser gelöst werden und beim Einsickern, wenn sie auf einen an Mineralstoflen reicheren Boden treffen, von dem Bestandteile ebenfalls leicht in Lösung gehen, ausgeflockt werden durch Bil¬ dung von unlöslichen Additions- Verbindungen mit Kalk, Magnesia, Eisenoxyd und Tonerde. Nach R. Albert (Zeits. f. Forst- u. Jagdwesen 1910) kommen als verkittende Substanzen im Ortstein vornehmlich Tonerde-, Eisen- und Phosphorsäure-Verbindungen in Betracht, aber es sei zu seiner Entstehung das Vorhandensein von löslichen organischen Substanzen — wenn auch in geringen Mengen — erforderlich, um die Wanderung der anorganischen Mineral¬ stoffe zu bewirken. Die Eisenverbindungen usw. können nach dem Genannten auch als Oxyde in kolloidaler Form wandern. Baumann und Gully (1908 S. 5) möchten die Moossäure verantwortlich machen, »da — sagen sie — nach vielen Beobachtungen nicht unter der Heide Ortstein entsteht, sondern erst dann, wenn die Moose sich im Wald anzusiedeln begonnen haben«. Das kann nicht gut sein, da in der Lüneburger Heide auch reichlich Ort entsteht, wo keine oder kaum Moose vorhanden sind. Am wich¬ tigsten scheint mir die schon von van Bemmelen (1910 S. 122 — 123) betonte Tatsache, daß Humuslösungen »im Stadium der sogenann¬ ten Krensäure und Apokrensäure« nicht nur lösliche Komplexe mit Alkalien, sondern auch »mit verschiedenen unlöslichen Basen, CaO, MgO, FeO, FegOß, MnO usw. bilden. Darum kann das braune Moorwasser in der Natur Eisen gelöst enthalten.«
Auf den Humus folgt abwärts zunächst die »Bleicherde«, eine ausgelaugte Gesteinsschicht, sodann die noch unausgelaugte Partie — meist durch Ferrioxydhydrat1) gefärbter Sand — und der oberste Teil derselben, eine Grenzzone zwischen beiden bil¬ dend, der Humus-Ort, der oft eine kontinuierliche Schicht dar¬ stellt. So könnte man sich die Bezeichnung Ortstein mit dem
9 C. A. Weber (Aufbau usw. der Moore. Mitt. Ver. Ford. Moorkultur i. D. Reiche 1904) weist daher mit Recht darauf hin, daß damit der O-Mangel dieser Bodenlage mindestens sehr zweifelhaft wird.
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II. Natürliche Humus-Lösungen uud -Niederschläge.
»Ort« erklären, der die Grenze ist, bis zu der man etwa beim Graben noch kommt. Die Ortstein Schicht gebietet durch ihre Festigkeit Halt: hier sind wir »vor Ort«, würde der Bergmann sagen1). Vergl. die Fig. 2 hierneben und Fig. 10 S. 28 der 5. Aufl. meines Buches »Die Entstehung der Steinkohle« (Berlin 1910).
Die genannte Bleicherde (russisch Pod sol = Aschenboden), d. k. Bleichsaud oder seltener Bl eich ton, ist der durch etwas »Humussäure« durch Enteisenung bleigrau gefärbte Boden über dem Humus-Ort (daher auch die Synonyme: Bleierde, Blei¬ sand, Grausand, Bleiton); sie ist der ausgelaugte Boden2). Daß sich Bleicherde nur oberhalb des höchsten Grundwasser¬ standes bilden kann, ist selbstverständlich: sonst wäre ja eine Auslaugung unmöglich. Die Ortlage gibt die Grenze an, bis zu
9 Hr. Dr. H. Jansen schreibt mir zur Etymologie Folgendes:
Ort stein hat 2 grundverschiedene Ursprünge und Bedeutungen:
a) (in der Maurerei) = »Eckstein« und (bei der Pflasterung) = »Bordstein«: »Ort« geht hier zurück auf das alt- und mittelhochdeutsche »Ort« = »Spitze«, »Ecke«, »Winkel«, »Rand« usw. Brrghaus1 »Sprachschatz der Sassen« sagt Oord stein = Eckstein, während er
b) für die mineralogisch-petrographische Bedeutung Oortsteen, Oartsteen (Erzstein) angibt. Ortstein min.-geol. ist »Raseneisenstein in der Tiefe«. Dieses »Ort < ist ein interessantes Uberlebsel eines an sich schon interessanten Wortes. Dem neuhochdeutschen »Erz« [mittelhochdeutsch erze (e = deutsches e, dasaus älterem a umgelautet ist), arze, althochdeutsch erizzi, arruz(zi)] entspricht eine uralte altniederdeutsche (alt-sächs.) Form arut: ein noch unerklärtes, den übrigen germanischen Dialekten fremdes Wort, das wahrscheinlich als arötium (literarisch nicht belegt) irgend woher entlehnt ist. Man hat an die im Altertum wegen ihrer Waffenfabriken bekannte etruskische Stadt Arretium gedacht. (N. B. »Erz« ist mit alt- oder mittelhochdeutschem er (= »Erz«] nicht verwandt: dieses er (= dem angelsächs. altsächs. ar, woher englisch ore), gotisch ais (ver¬ wandt mit latein aes) bildete ein Adjekt eren, dem das heutige ehern (mit stummem b) entstammt.]. Zu »Ortstein« im petrographischen Sinne müssen wir also ein altsächsisches (literarisch nicht belegtes) ar(u)tsten erschließen = »Erz¬ stein«, woraus dann später im Niederdeutschen Ortsteen oder Oortsteen, hochdeutsch »Ortstein« entstanden ist. (Vergl. Kluge’s Etymolog. Wörterbuch unter »Erz«.)
2) Die »Bleicherde« der Technik ist eine Erde, die zum Bleichen (Aul¬ hellen, Raffinieren) von vegetabilischen und animalischen Fetten benutzt wird. Diese Erde heißt auch Walk (Fuller-)Erde und ist ein aus Basalt usw. hervor¬ gegangenes oder durch Glühen und Mahlen hergestelltes Pulver wesentlich aus Kieselsäure und Tonerde.
II. Natürliche Huirnis- Lösungen und -Niederschläge.
47
welcher die auslaugenden Regen in den Boden dringen. Es ließen sich mit den Lagerstättenkundigen cum grano salis die Schichten über und unter der Ort-Lage nach ihrer Terminologie wie folgt parallelisieren :
Trocke uto rf .
Bleicherde . . . Oxydationszone
Ort . Zementations-(Konzen trations-)Zone
Grundwasserstand .
Primäres Gestein . Primäre Zonen.
Figur 2.
Orterde=Profil.
a unausgelaugter (durch Ferrihydroxyd stark gefärbter) Sand, b Orterde,
c ausgelaugter Sand,' Bleichsand, bedeckt!, von einer links iiber- h ängenden T Heide- T rockentorf- Schicht (d) .
(Aufgenommen am 13. VIII. 1907.)
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II. Natürliche Humus-Lösungen uud -Niederschläge.
Bleicherde kann entstehen, ohne daß sie in ihrem Liegenden Ort zu haben braucht; so ist der »Molkenboden« der Forst¬ leute auf den Hochflächen des Sollings der obere, ausgelaugte Buntsandsteintonboden, unter dem sich keine Ort-Bildung vor- findet1), und der in Rußland sehr verbreitete »Po ds ol«- Boden wird nicht immer von Ort unterlagert.
Charakteristische Landschaften mit Humus-Sandstein sind u. a. die Lüneburger Heide, La Campine in Belgien, Heidereviere Englands, wo ich z. B. (Skipwith Common, Riccal Station, East Yorkshire) das nachstehende Profil beobachtete:
4. Trockentorf mit Heide -Vegetation.
3. Hu mos gefärbter Bleichsand,
2. Ort-Erde,
1. Eisenschüssiger Sand mit Calluna- Wurz ein, vertikal den Boden durchziehend, wie autochthone Röhricht -Wurzeln.
P. E. Müller (1. c. 1887 S. 198) hat die folgenden für das Verständnis der Genesis des Humusorts wichtigen Experimente gemacht.
1. Gelber (eisenschüssiger) Sand wurde durch eine Humusauf¬ lösung beim Filtrieren gänzlich entfärbt. Müller nahm eine weite Glasröhre mit trichterförmiger Spitze und gab während 10 Tagen täglich 1050 ccm sepiabraune Humusflüssigkeit hindurch und als Krontrollversuch gab er durch einen gleichen Trichter destilliertes w asser durch. In beiden Fällen war die auslaufende Flüssigkeit vollkommen klar und hinterließ keinen verbrennbaren Stoff.
2. Dann nahm Müller an Stelle des gelben Sandes Bleich¬ sand; hier lief das braune Wasser mit unveränderter Farbe durch.
P. Graebner (Heide 1901 S. 124 — 125) hat Humusort künstlich erzeugt. Er füllte eine Glasröhre mit gewaschenem Sande, den er an einer Stelle durch eine Schicht einer Mischung
l) Yergl. hierzu 0. Grupe, Die Brüche des Sollings, ihre geologische Be¬ schaffenheit und Entstehung (Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen). Berlin 1909 8. 5 ff.
II. Natürliche Humus-Lösungen und -Niederschlage.
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ungewaschenen Sandes mit Kochsalz unterbrach. Nun wurde Wasser aus humoser »saurer« Erde durch das Glas hindurch¬ filtriert, aber es zeigte nur die alleroberste Partie des Sandes eine Schwarzfärbung. Nach dem Zerschlagen des Glases verfärbte sich jedoch nach dem Austrocknen die salzige Partie stark braun: es war an dieser Stelle tatsächlich ein Beginn zur Humussandstein- Bildung zu bemerken, die aber erst in die Erscheinung trat, als nach dem Zerschlagen des Glases die Luft ausgiebig Zugang hatte, also oxydierend wirken konnte. Es . waren also farblose Humus¬ verbindungen, die die Humus-Ort- Bildung veranlaßt hatten.
Bradfer (1. c.) nahm zu Experimenten eisenhaltigen Sand, darüber grauen Sand und darüber humosen Sand. Wurde der letztere mit Regen- oder Torfwasser begossen, so bildete sich eine braune Schicht zwischen dem eisenhaltigen und dem grauen Sande.
Daß die löslichen Humusstoffe die Auslaugung beschleunigen helfen — natürlich nur dort, wo überhaupt die Bedingungen dafür vorhanden sind, d. h. Böden, deren eingedrungenes Regenwasser leicht abfließt — , kann man zuweilen bequem beobachten. Hr. Forst¬ meister Düesberg machte mich Anfang 1904 bei einer Begehung in seinem Revier (Gr. Mützeiburg in Pommern) darauf aufmerksam, daß die von Trockentorf freien Südhänge von Dünenzügen entweder gar keine oder nur eine schwache Bleichsandbildung aufweisen, die nie scharf abgesetzt sind, sondern allmählich in den noch nicht ausgelaugten Untergrund übergehen. Wegen Besonnung der Süd¬ hänge verwest der Humus und Humussäuren wirken nur unter¬ geordnet; die Nordhänge hingegen zeigten auffallende Ort-Profile mit reichlichen Bleichsand-Lagen.
Auch sonst sind je nach den lokalen Bedingungen Bleicherde- und Ort-Bildungen dicht neben Bodenstrecken zu beobachten, die keine solche Bildungen besitzen, obwohl sonst ein Bodenunter¬ schied nicht vorhanden ist. Darauf wird noch in dem Kapitel über die Mullerden hingewiesen werden. Diesbezüglich sei noch als gleichwertiges Beispiel hinzugefügt, daß ich im bergigen nörd¬ lichen Sauerland (bei Herdringen) an einem frisch aufgeschnittenen
Nene Folge. Heft 55. II.
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II. Natürliche Humus-Losungen und -Niederschläge.
Wege (am NordosthaDg des Effenberges), der den Boden (ver¬ witterte Culmgrauwacke) in einer großen Erstreckung als Profil aufschloß, und der durch ein mit Picea excelsa und Calluna , so¬ dann mit Buchenwald bestandenes Gelände führte, im ersten Falle Trockentorf und darunter Bleicherde und Ort, im zweiten Falle, genau mit dem neu einsetzenden Bestand beginnend, jedoch Moder- und Mullerdeboden vorfand, d. h. also dort, wo wühlende Tiere, namentlich Regenwürmer, für eine ständige Bodenmischuus: sorgten. Yergl. hierzu auch die Figur Müller’s hinten S. 78 und das dort Gesagte.
Oft kann man das folgende Profil beobachten:
Trockentorf,
Humoser Bleichsand,
Sehr heller Bleich sand,
Ortstein oder Orterde,
Unausgelaugte r Sand.
Hier ist der humose Bleichsand offenbar ein Ausdruck für schwächere Wasserwirkung, die die löslichen Hunmsstoffe nur bis in den unmittelbaren Untergrund des Trockentorfs führt; außer¬ dem handelt es sich in den humosen Bestandteilen des humosen Sandes um eingeschwemmte feinste Partikel aus dem Trocken¬ torf. Übrigens ist bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß gewöhnlich die unmittelbar unter Moor-Torf von Hochmooren, die direkt dem anorgan. -mineral. Boden aufliegen, lagernde Bleicherde (das Soolband) torfiger ist als die dann darunter folgende. Es scheidet sich also in den Profilen die Bleicherde oft merkbar in zwei Horizonte: eine stärker torfige (bezw. humose) obere und eine weniger torfige untere Bleicherde.
Wenn Frost hinzu kann, bildet sich kein Humus-Ort st ein, da er durch Frostwirkung zu einem Pulver zerfällt ebenso wie an der Luft; Ortstein entsteht also nur in genügender Tiefe, die dem Einfluß des Frostes entzogen ist.
III. Humus-Erden.
51
III. Humus-Erden.
Humuserden sind anorganische mineralische Erden mit Hu- muso'ehalt oder Humus mit bemerkenswerteren anorganischen mineralischen Beimengungen. Im ersten Falle spricht man von (schwach, stark) humoseu Sauden, Tonen u. dergl., wobei es dahin gestellt bleibt, wie die Mischung zustande gekommen ist.
Der Zusatz des Wortes »-Erde« zu einem anderen Wort deutet hier also stets auf ein Mischprodukt von anorganisch-mine¬ ralischem Boden mit Humus, auf das reichlichere Vorhandensein des erstgenannten Bestandteils. Da Humus mit 30 v. H., ja so¬ gar mit noch etwas mehr Asche (primäre -j- sekundäre) noch als Brennmaterial verwertbar ist, würde man für die Praxis etwa die Grenze zwischen Humus (Moder und Torf) einerseits und Humus¬ erden andererseits etwa bei 35 oder 40 v. H. legen können; wenn weniger Asche vorhanden ist, würde man hiernach noch von Humus, wenn mehr vorhanden ist, von Humuserde reden. x4ber — wie gesagt — das könnte man nur von einem beschränkteren praktischen Standpunkt aus so machen. Die Wissenschaft, die möglichst alles zu berücksichtigen hat, kann sich an eine solche, einem einseitigen Bedürfnis angepaßte Einteilung natürlich nur halten, wo es nicht auf Genaueres ankommt,
Damm erde ist diejenige mineralische Bodenerde, die im Einflußbereich des Oberflächenhumus liegt (vergl. hierzu Vater 1904 S. 47, 63, 65, 66). Die meisten Humuserden sind danach Dammerde; der durch Sandwehen entstandene Halbtorf aber wäre danach keine Dammerde.
Man versteht in Gärtnerkreisen seit langem ganz allgemein unter »Erde« eine humose Bodenart, der aber ein gewisser Prozentsatz mineralischen Bodens (bes. Sand) beigemischt ist. Diese Ausdrucksweise ist auch sehr weit in die gärtnerische Literatur übergegangeu. Erzeugt werden diese »Erden« entweder durch Aufschichten der betreffenden Humusmasse mit Sand usw. oder durch Abstechen, so daß ein Teil des darunterliegenden Mi¬ neralbodens mit entfernt wird. Nach der Herkunft unterscheidet
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ill. Humus-Erden.
man u. a. Heideerde, Nadel - (von Kiefern, Ficliten) erde, Torf¬ erde (Flachmoor, Hochmoor), Laub- (Eichen-, Buchen- usvv. laub-)erde, Baumerde (faulendes Holz), Wiesen erde (Wiesen¬ plaggen) oder Basen erde (gemähter Rasen mit Sand oder Rasen¬ soden), Komposterde (Graebner in Potonie 1. Aufl. S. 79).
Die Humuserden sind zu scheiden in solche mit vorherr¬ schender Vermoderung (milde Humuserden) und solche mit vorherrschender Vertorfun g (» saure Humuserden«); erstere sind die Mull- und Modererden, zu letzteren gehören die Moor- und die Bleicherde.
1. Mull- und Modererden.
Mullerden.
Mullerden sind solche Erden, bei denen das organische Ma¬ terial größtenteils verwest ist ; es bleibt im organischen Mineral¬ boden nur verhältnismäßig wenig und zwar gleichmäßig zersetzter Humus zurück, der den Boden so vollständig homogen durch¬ dringt, daß der Humus dem Boden eine einheitliche dunkel¬ gelbe, hellbraune bis schwarze Färbung verleiht. Die Mächtigkeit von Mullerden kann weit über 1/ 2 m erreichen. Die Humussub¬ stanz der Mullerden heißt Mull (däu. Muld, schwed. Mylla); sie trägt den Charakter chemischer Ausfällungen. Die Mischung von Mull mit Mineralboden ist also Mullerde. Man wird dem¬ nach unterscheiden stärker oder schwächer mullhaltige Mullerde. Reine Mullböden (aus Mull allein bestehende Böden) sind nicht bekaunt. Es ist sehr darauf zu achten, daß für einen aus Mull¬ erde bestehenden Boden nicht Mullboden, sondern Mu Herde bo- den zu sagen ist.
Von Modererde ist Mullerde leicht dadurch zu unterscheiden, daß der letzteren bei Separations-Versuchen (Schütteln mit Wasser im Reagensglase) der Humus verbleibt, während er (wenigstens im wesentlichen) bei den Modererden nach oben kommt, da hier vorwiegend noch figurierte Pflanzenbestandteile vorhanden sind, die sich bei ihrem geringen spez. Gew. trennen.
Die Durchdringung von anorganisch-miueralischen Bestand-
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teilen mit Humus kommt im. wesentlichen durch direkte Ver-
III. Humus-Erden.
53
mischung beider Materialien zuwege. In der freien Natur sind es Tiere, die das durch ihre Wühltätigkeit besorgen — vergl. z. B. Fig. 3 u. 4 — , oder auch gelegentlich der Wind, in der Kultur ist es in erster Linie der Pflug des Menschen. P. E. Müller (1. c. 1887 S. 59) spricht) noch von mechanischer Versetzung durch
Figur 3.
Von Regenwürmern in den Boden gezogene Pflanzenteile.
Oben eia Buclienblatt und ein Zweig, der daneben für sich dargesteilt worden ist, um an seiner Länge zu zeigen, wie weit er bereits in den Boden gedrungen war; unten ein Eiebenblatt, umgeben von Regenwurm-Exkrementen, ebenso wie in der oberen Abbildung. — Skizziert nach Vorkommnissen auf einem glatt ge¬ tretenen Wege des Restaurants im Elisenhain bei Eldena (Aug. 1907).
Wasser und chemischer Umbildung in Verbindung mit dem Auf¬ lösungsvermögen des Wassers. Aber wesentlich ist ihm der Mull der Mullerde doch »koprogener Humus« (1. c. S. 232), da er hauptsächlich aus tierischen Exkrementen bestehe, im Gegensatz
54
III. Humus-Erden.
zum »vegetabilischen Humus«, dem Torf. Das kann aber generell nicht richtig sein, z. B. nicht bei den Schwarzerdeböden, während in anderen Fällen diejenigen Tiere, wie Regenwürmer, die den Boden mit ihrem organischen Inhalt zu sich nehmen, in der Tat in ihrem zahlreichen Vorhandensein durchaus hinreichen, den ge¬ samten Humus als koprogen anzuerkennen.
Die Regenwürmer verschlucken zu ihrer Ernährung große
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Mengen Erde, so daß sie relativ sehr beträchtliche Mengen Ex¬ kremente erzeugen. Ch. Darwin1) hat berechnet, daß in 10 Jah¬ ren eine 2 — 4 cm dicke Schicht Erde durch den Darmkanal der Würmer wandern kann. Sie ziehen auch Pflanzenteile in den Boden hinein: Fig. 3.
Müller (1. c. S. 18) berechnete in einem Falle 2/g bis 1 Mil¬ lion lotrecht hinabgehender Regenwurmröhren auf einen Hektar; jedoch meint er (1. c. S. 21), daß gewiß auf dieser Fläche viele Millionen Individuen anzunehmen sind. Außer mehreren Regen1- wurm- und verwandten Arten kommen in Betracht (1. c. S. 21) ihre Begleiter, die Maulwürfe, Insekten und ihre Larven (Mai¬ käferarten, Elater -, Dipteren-Larven, Ameisen usw.), sowohl pflan¬ zenfressende Insekten als auch ihnen nachstrebende Tiere, Tausend¬ füßler, Landisopoden. Auch Moneren kommen in Mullerde vor usw. Wo diese oder jene Tiergruppe besonders beteiligt ist, unterscheidet man wohl auch, je nachdem verschiedene Tier-Ab¬ teilungen für eine Zerkrümelung des Bodens vorwiegend gesorgt
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haben: Regenwurmmull- und Insekten mull-, Ameisen¬ mull-Erde u. dergl.
Wo ein Durchwühlen eines Bodens mit Pflanzenresten statt¬ findet, gleichgültig ob ein künstliches oder natürliches, da ent¬ steht unter den Bedingungen, wie sie u. a. das gemäßigte Klima bietet, M u 1 1 e r d e b o d e n. Ein regelmäßig durchgegrabener Garten¬ boden oder ein alljährlich vom Pflug des Landwirts umgeworfenes und dadurch nach und nach mit den sich zersetzenden Pflanzen¬ resten vermischtes und stets immer wieder gelockertes Ackerland
]) Darwin, 1837 und »Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der W armer«.
III. Humus-Erden.
55
gewinnt daher den Charakter eines Mullerdebodens. Hier nimmt der Mensch die Lockerung und Vermischung des Bodens mit Pflanzenresten vor, wie in der freien Natur die Tiere.
Wir werden danach natürliche und künstliche Mull¬ erde unterscheiden.
Figur 4,
Mullerdeboden.
Zwischen den Tischen, Bänken und Stühlen festgetreten, unter diesen jedoch durch Regenwürmer und Maulwürfe stark aufgewühlt.
Restaurationsgarten des Elisenhains bei Eldena bei Greifswald (Aug. 1907).
Es gehören zu den Mullerdeböden:
a) Die Ackerböden in ihrem regelmäßig bearbeiteten humushaltigen oberen Teil, sofern hier Humus zurück¬ bleibt.
b) Die Waldböden (Parkböden) mit bis ca. 5 v. H. (selten mehr) Mull und gewöhnlich zwischen 30 — 100 cm Mach-
56
III. Humus-Erden.
tigkeit. (Diese sind nach seiner eigenen mündlichen Mit¬ teilung die ursprünglichen Mu 11b öden P. E. Müller's (1887 S. 8 und 66); in diesem Sinne ist also der Termi¬ nus mit seinem vollen Einverständnis auszumerzen).
Hierher gehören die besten Waldböden aus Mulle hm, Mulls and usw.
Figur 5.
Lößwand. Profil in der Braunkohlengrube Franz bei Gerlebogk i. Anhalt.
Sa = Saud, darüber 30 cm Lehm (L), S = 40 cm Schwarzerde, C = 25 cm Cultur- schicht: durch den Pflug umbrochener Teil der Schwarzerde: Ackerboden (Mai 1908).
Als typische Flora unserer Buchenmullerde nennt P. E. Müller (1. c. 1887 S. 9) die Waldmeistergemeinschaft, nämlich keine Moose oder nur vereinzelt wenig u. a. Polytrichum formosum, dann Melica uniflora , Asperula odorata , Mercurialis perennis, Milium effusum , Stellaria nemorum , Chvaiis acetosellct , Anemone nemorosa. Im Hasbruch bei Bremen mit Mullerdeboden wächst
III. Humus-Erden.
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Quercus pedunculata , Carpinus betulus , Rhamnus Frangula , Sorbus aucuparia , Lonicera periclymenum , Ilex aquifolium , Hedera helix
usw.
c) Die Schwarzerdeböden. Fig. 5 u. 6. — Die Schwarz¬ erde (russisch T s ch e r n a s j o m , Tschernozom, T s c h e r n o s j 6 m ,
Figur 6.
Löß=Bruchland über einem abgebauten Braunkohlenlager
bei Gerlebogk i. Anhalt.
Der Schwarzerde- Anteil (Löß) über dem nicht humos gefärbten (Lehm und Sand) Anteil (der senkrechten Wände der Horste) hebt sich auffällig ab (Mai 1908).
polnisch Czarnoziem; in Böhmen öernana; bei A. Jentzsch1) findet sich das Synonym »Höhenhumus«) bildet sich meist iu fruchtbaren, unausgelaugten, kalkhaltigen Löß- als auch anderen
3) Jentzsch, Uber die geol. Grundlagen des Bodens von Ost- und West¬ preußen (Jahrb, d. Deutsch. Landwirtschafts-Ges. 1892 S. 229).
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III. Humus-Erden.
Böden, die bei feuchtem Wetter eine üppige Vegetation tragen kön¬ nen. Die Humussubstanz in der Schwarzerde ist bedingt durch die Trockenheit in der wärmeren Jahreszeit, wodurch die Verwesung: verhindert oder vermindert ist. Schwarzerde bildet sich also — wie Ramann (1905 S. 400) sagt — in »Gebieten mit nicht ex¬ trem aridem Klima, wie es die Steppen Südeuropas kennzeichnet«. Er fügt hinzu, daß die humosen Stoffe »organisierte Struktur nicht mehr erkennen lassen und den Charakter chemischer Ausfüllungen
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tragen«. — Schwarzerde ist bekannt besonders von der Mand¬ schurei und Sibirien durch das südliche und zentrale europäische Rußland bis Polen, aus der Prärie Nordamerikas, den Pampas Südamerikas, vom Atlas- Vorlande Marokkos usw.1), auch bei uns kommt Schwarzerde vor namentlich im Magdeburgischen und in Cujavien, und zwar herrscht die Meinung, daß die deutschen Vor¬ kommnisse als Relictböden aufzufassen seien. Es sei aber darauf hingewiesen, daß sich die Schwarzerde der Magdeburger Börde im Regenschatten des Harzes vorfindet und diejenige des Ostens (Cujaviens usw.) in auch heute noch gleich trocknen Gebieten mit einer jährlichen Niederschlagshöhe von nur 40 — 50 cm2), also ge¬ nau wie in dem typischen Kontinental-Klima des südlichen euro¬ päischen Rußlands mit rund 900 000 qkm Schwarzerde-Gebiet, und von diesen 40 — 50 cm entfallen mindestens 30 cm auf die Vegetations-Periode.
Uber die russische Schwarzerde äußert sich Sibirtchew (im Auszuge) folgendermaßen3):
x) Der Regar Indiens (Englisch regur, worin das u wie kurzes ä ge¬ sprochen wird, daneben ganz falsch regoor. Herr Dr. H. Jansen teilt mir mit: »Regur« ist dem Hindi entnommen, wo es »regar«, »regar« oder mundartlich auch »legar« heißl), im Englischen auch black soil, cotton soil genannt, soll Schwarzerde sein. Eine Probe, die ich Herrn Prof. J. Walther verdanke, enthält aber keinen Humus. Während echte Schwarzerde in LLC03- Lösung eine stark dunkelbraune Flüssigkeit gibt, färbte sich die Lösung mit dem Regar gar nicht. Aufgeschlämmt ergab sich das Material als ein feiner (kalkiger) Ton¬ absatz, aussehend wie ein Uberschwemmungsschlick.
2) Vergl. die G. HELLMANjfsche Regenkarte von Deutschland. Berlin 1906.
3) Uber die am besten untersuchte russische Schwarzerde war für mich schlecht Nachricht zu erhalten, da ich der russischen Sprache nicht mächtig bin. Herr A. NabokiCh war daher so freundlich, mir aus der Bodenkunde von Sibirtschew (1901) den diesbezüglichen Abschnitt zu übersetzen, nach dem ich Obiges bringe.
III. Humus-Erden.
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Sie enthält (4) 6 — 10 (16) v. H. Humus.
Der verbreitetste Boden für Schwarzerde-Bildung ist äolisches Material, wie z. B. Löß als Wüstenstaub oder lößartiger Lehm als Staub der Eiszeit. Solche Bildungen sind von vornherein sehr fruchtbar, da sie nicht von Wasser ausgelaugt abgesetzt werden und daher einer reichen Vegetation sehr Vorschub leisten. Natur¬ gemäß besteht ein Staub aus sehr feinkörnigem Material, das für die Hintanhaltung der Verwesung der absterbenden Pflanzen günstig ist, da der Luft-Sauerstoff wegen der dichten Lagerung schwer Zugang hat. Das Vorhandensein reichlichen Kalkes be-
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giinstigt die Zurückhaltung der sonst löslichen Humusstoffe, die sich mit dem Kalk zu in Wasser unlöslichen »Kalkhumaten« ver¬ binden. Danach kann man sagen: die typischste (humushaltigste) Schwarzerde (Mittel- V olga- Gebiet) wird gewöhnlich auf Löß und kalkigen Ablagerungen entstehen, während auf sandigen Böden, obwohl auf diesen die Schwarzerde mächtiger sein kann, sie doch ärmer an Humusgehalt ist (Süd-Dniepr-Gebiet). Tonböden, in denen Schwarzerde entsteht, zeigen nur gering-mächtige Schichten davon. Günstige Terrains für Schwarzerde sind die abflußlosen Steppengebiete. Was die klimatischen Bedingungen anbetrifft, so meint S., daß Schwarzerde nur in mittleren Temperaturen (12 — 14° C während der Vegetationsperiode) entstehen könne, danach spricht er von Bodenzonen.
Die atmosphärischen Niederschläge variieren in Schwarz¬ erdegebieten zwischen 40 — 60 cm Höhe, in wärmeren Gebieten mehr, in kälteren weniger. Es herrscht in denselben immer Wassernot wegen der warmen Sommer, der trocknen Winde, der vorgeschrittenen Erosion, die die Wasser wegführt; außerdem kommt die große Wasserkapazität hinzu, d. h. die starke Auf¬ nahmefähigkeit des Bodens für Wasser, das stark zurück gehalten wird, ohne für die Pflanzen nutzbar gemacht werden zu können. Das alles sind Ursachen für die Verlangsamung der Verwesung. Wesentlich ist, daß so viel Wasser vorhanden ist, um eine reiche Vegetation im Frühjahr zu befördern, hingegen zu wenig, um auch im Sommer und Herbst vollständige Verwesung zu ermög¬ lichen. Daher wird Humus angesammelt. Natürlich gibt es alle
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III. Humus-Erden.
Übergänge zwischen typischer Schwarzerde und reinem Lößboden, sowie auf der anderen Seite reinem Torfboden, je nach den Feuchtigkeits Verhältnissen. Hinsichtlich der Schwarzerde-Flora ist zu bemerken, daß es sich um eine besondere Pflanzen-Gemein- schaf't handelt, die ausgezeichnet ist durch viele Vertreter von Stauden. Man muß in den russischen Steppengebieten 3 Peri¬ oden im Jahre unterscheiden, um die Schwarzerde-Bildung zu verstehen. Nämlich
1. eine Periode im Frühjahr, die so viel Wasser bringt, daß eine Vermoderung der Pflanzenreste möglich wäre,
2. eine darauffolgende Periode, die günstige Wachstums- Verhältnisse bietet und dann auch äußerst schnell eine üppige Vegetation erstehen läßt. In dieser Zeit findet freilich eine Zer- Setzung der Streudecke und des Humus statt, aber die reiche Vegetation o-leicht die Zersetzung mehr als aus. Darauf tritt
3. eine Trockenperiode (und eventl. auch im Winter starke Kälte ein), die die Zersetzung wieder sistiert.
Danach ist die Anreicherung an Humus wohl zu verstehen. Der Humus der Schwarzerde enthält nach dem Autor keinen oder kaum lösungsfähigen Humus, nach meinen Erfahrungen jedoch meist sehr viel. Unter dem Mikroskop sind die schon von Chr. G. Ehrenberg gesehenen Kiesel-Skelettstückchen von Gramineen auffallend.
Neuerdings sagt Hamann (Mnscr. 1906): »Es ist nicht aus¬ geschlossen, daß Böden Vorkommen, welche den Steppen-Schwarz- erden in der .Zusammensetzung nahe stehen, aber anderer Ent¬ stehung sind, z. B. die Schwarzerden geringer Verbreitung in Ostpreußen usw. Sollte sich dies a’s richtig erweisen, so würde entweder eine neue Bezeichnung einzuführen oder Steppen- Schwarzerde usw. zu unterscheiden sein.« Wenngleich ich selbst vor der Hand keinen Grund sehe, Schwarzerde, die sich bei uns findet, von derjenigen der Steppen zu trennen, sei doch die Gelegenheit benutzt, darauf hinzuweisen, daß es vielleicht Arten von Löß gibt, deren Merkmale noch festzustellen wären. Es ist nämlich noch nicht darauf geachtet worden, daß auch 'Sa-
III. Humus-Erden.
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propelite mit vielen anorganischen Zutaten nach der Trocknung die lockere Beschaffenheit von Stanbabsätzen erkennen lassen, aus Gründen, die ich in dem I. Bande p. 206 dieses Werkes ausein¬ andergesetzt habe. Auch habe ich in einer Probe sonst typischer kalkreicher Schwarzerde (wenigstens unter dem Mikroskop von Steppen-Schwarzerde Südrußlands nicht unterscheidbar) von Kalbe an der Saale Spongillen-Nadeln-Stücke gefunden; wie sie in die Schwarzerde gekommen sind, bedarf näherer Untersuchung. Viel- leicht gibt es also äolischen Löß und Sapropelit-Löß. »Tcher- nozom des marais« ist aber weiter nichts als umgepflügter schwar¬ zer Boden am Rande von Mooren. (Vergl. Sibirtchew S. 122.)
Besonders aufgeführt wird von Ramann (1. c.) die Humus¬ form von Sodaböden. Er sagt: »Humusform der Böden, welche kohlensaures Natrium enthalten. Die humosen Stoffe werden ge- löst und scheiden sich beim zeitweisen Austrocknen zwischen den Mineralteilen in wechselnden Mengen ab«.
Ich selbst habe versucht, mir in dem canadischen Steppen¬ gebiet, in der Prärie, über die Genesis der Schwarzerde ein Urteil zu bilden.
Das den ganz überwiegenden Teil Canadas wegen seiner Kompaktheit beherrschende kontinentale Klima bringt es mit sich, daß, je mehr wir in das Innere des Landes Vordringen, je weiter wir von den größeren Wasserflächen abrücken, der Regenfall immer geringer und demzufolge der Boden allmählich um so trockner wird. Hand in Hand damit wird der Wald immer spär¬ licher und in seiner Ausbildung kläglicher. Allmählich löst er sich auf in einzelne geschützter liegende, bewaldete oder auch nur mit Strauchwerk besetzte Oasen, bis wir in die gänzlich größerer Gehölze entbehrender, reine Prärie gelangen. Wie die Wasser¬ fläche inmitten eines Ozeans, so erstreckt sich hier die Steppe schier endlos und ohne anders begrenzten Horizont um den Be- schauer.
Die Prärie läßt sich — sie steigt allmählich nach Westen an — in einen höher gelegenen, mehr hügeligen, trocknen uüd windigen westlichen, und einen wesentlich ebenen, etw^as feuch-
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IIT. Humus-Erden.
teren und weniger windigen, östlichen Teil sondern. Der Boden besteht aus Geschiebemergel, der namentlich im Osten, insbeson¬ dere in seinen Senken, von einem geschiebefreien, staubfeinen und gewöhnlich lockeren, kalkig-tonigen Feinsand, d. h. mit Löß be¬ deckt ist. Wie häufig in anderen Steppengebieten, z. B. im euro¬ päischen Süd-Rußland, so ist auch die oberste Bodenschicht der Prärie allermeist »Schwarzerde«, d. h. der Boden ist wie ein guter humoser Ackerboden braun bis schwarz gefärbt durch beigemengte, sehr feine Humusteile.
Schwarzerde entsteht überall da, wo eine hinreichend dichte Vegetation vorhanden ist — abhängig von einer genügenden Feuchtigkeit, wenigstens zu einer für das Gedeihen der Pflanzen günstigen Jahreszeit — und wto andererseits genügende Trocken-
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heit herrscht, um die vollständige Zersetzung des abgestorbenen organischen Materials zu verhindern. Das ist im Präriegebiet Canadas der Fall sowohl auf den alluvialen Absätzen der fließen¬ den Gewässer, als auch auf dem Grundmoränengelände, ebenso wie auf demjenigen mit Löß, auf denen fast überall — nicht allein auf dem Löß! — Schwarzerde vorhanden ist. Freilich ist damit die außerordentlich innige Mischung des Humus mit der anor- ganisch-mineralischen Erde noch nicht erklärt, denn unter den angegebenen Bedingungen müßte sich nach unseren sonstigen Er- fahrungen eine besondere, reine Humuslage an der Oberfläche, als Hangendes des anorganisch-mineralischen Bodens bilden: es müßte eine Bedeckung des Bodens mit »Trockentorf« (mit sog. Rohhumus) stattfinden. Die Mischung der beiden Boden¬ arten kommt durch das Tierleben der Steppe zuwege. Hier sind die Tiere vor Verfolgung und auch sonst nicht so ge¬ schützt wie im Walde. Die Steppe birgt daher auch unter den größeren, den Säugetieren, besonders viele grabende Arten. Sie durchwühlen ständig den Boden und verhindern, daß sich eine reine Humusdecke der sich zersetzenden Vegetation, daß sich ein Trockentorf bilden kann.
Wo deshalb die wühlenden und grabenden Tiere wegen un-
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geeigneter Bodenverhältnisse fehlen, wie solche auf denjenigen al-
III. Humus-Erden.
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luvialen Böden (river deposits) vorhanden sind, die ausschließlich aus gröberen Geschieben oder gröberem Kies bestehen, da haben wir denn auch in der Tat, wo die U bersch wemmungswasser die nötige Ruhe belassen, Trockentorfbildungen. Das habe ich sehr schön in der Region der Foot- Hills bei Morley sehen können, wo sich Schwarzerde im lockeren, für die Tiere leicht zugänglichen Boden befindet, daneben Trockentorf hingegen, d. h. nicht mit dem Untergründe gemischter Humus, dort, wo wegen ausschließlich steinigen Unter¬ grundes die grabende Tätigkeit unmöglich gemacht ist.
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Trotz der Hindernisse, die bei uns durch die weitgehende Kultur des Bodens gegeben sind, die eine Erkennung des ge-
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schilderten Vorganges erschweren, erhält man doch einen Wink durch die Tatsache, daß noch oft genug Wühlmäuse in unseren Schwarzerde-Lößböden zur Plage werden, wie auch die Landwirt¬ schaft auf dem Löß des Magdeburgischen von den früheren Hamsterplagen viel gelitten hat.
Es sei hier auch eingeschaltet, daß sich in den Steppen Ru߬ lands »Kratowi n en« finden, d. h. mit Schwarzerde erfüllte kleine Stellen im hellen Löß des Untergrundes, entstanden durch nach¬ träglich ausgefüllte Tierhöhlen.
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Kurz und bündig: es findet in den erdigen Böden der Prärie eine ständige Durchwühlung der abgestorbenen Teile der Vegetation mit dem anorganisch-mineralischen Boden statt, und wir erhalten so an solchen Stellen, die die vollständige Zersetzung (die Verwesung) zurückhalten, die für viele Steppen so charakte¬ ristische Schwarzerde: Jetzt setzt dort, wo Ackerbau herrscht, der Pflug die Tätigkeit der vertriebenen Tiere fort; wo der Pflug in Canada noch fehlt, da sieht man überall durch grabende Säuge¬ tiere ausgeworfene schwarze Erde; auch Insekten, wie Ameisen, helfen den Boden durchwühlen — und dem Winde preisgeben.
So wird auch Schwarzerde durch den Wind verfrachtet, meist dahin, wo sie auch reichlich in situ entsteht. Profile wie das folgende, das ich u. a. durch die Canadian Pacific Railway angeschnitten östlich von Colley östlich Maple Creek sah, wo sich
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III. Humus-Erden.
wechsellagernd mit humusfreiem Löß mehrere Horizonte von
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Schwarzerde fanden, lassen sich daher bis auf Weiteres in ver¬ schiedener Weise erklären. Entweder hat zuerst eine Windabla¬ gerung von bloßem Löß, sodann von Schwarzerde, dann wieder von humusfreiem Löß und endlich darüber nochmals von Schwarz¬ erde stattgefunden (in den beiden oberen Schichten waren auch Kalkkonkretionen vorhanden), oder aber das angegebene Profil ist ein Ausdruck für eine einmal schnellere, dann wieder langsamere Ablagerung. In diesem Falle könnte die ganze Zeit hindurch bloßer, reiner Löß herzugebracht worden sein, aber in den Zeiten schnellerer Ablagerung fehlte es an Zeit zur Bildung einer hin¬ reichenden Menge von Humus an Ort und Stelle. Ein solches Profil würde dann auf periodisch etwas wechselnde klimatische Verhältnisse hinweisen.
Dann kann aber die Wechsellagerung von Schwarzerde unter¬ brochen von Löß, dem Humus fehlt, auch in anderer Weise zu¬ stande kommen. E. Ramann1) gibt diesbezüglich und sonst über die Genesis der Schwarzerde wesentlich nach Wysotzki das Fol¬ gende an: Spalten und Adern in Schwarzerdeböden zeigen eine Anreicherung von humosen Stoffen. Diese tragen stets den Cha- rakter chemischer Ausfällungen. Die obere Bodenschicht, die jährlich von Niederschlägen durchfeuchtet wird, nennt Wysotzki die »Lebende« im Gegensatz zur »Toten«, in die Niederschläge nicht mehr eindringen, die auch von Grundwasser unbeeinflußt bleibt. Da das eindringende Regenwasser auch wieder nach oben hinaus verdunstet, sei es direkt oder sei es durch Vermittlung der Vegetation, so wird der Boden im allgemeinen nicht ausge- laugt. Nur im oberen, vom einsickernden Wasser beeinflußten Teil findet eine Bewegung lösungsfähiger Mineralsubstanzen statt, jedoch gelangen die gelösten Teile natürlich nur bis an die obere Grenze der toten Bodenschicht und diese können vom Wasser auch wieder nach aufwärts mitgenommen werden. Bei diesen
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Vorgängen können Konkretionen besonders von Kalkcarbonat ab¬ geschieden werden. Es ist nun bemerkenswert, daß die lebende
J) Ramann, Bodenkunde. 3. Aufl. Berlin 1911 S. 539 — 542.
III. Humus-Erden.
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Bodenschicht sich im Profil scheidet in eine obere, stark lnimus- lialtigc Zone, darauf folgt eine Schicht mit geringem ITumusgehalt, welche unterlagert wird von einem wieder humoseren Horizont, bis wohin eben die gelösten Humusstoffe gelangen und zum Nie¬ derschlag gebracht werden.
Wo der Wind Staub herzuführt, der die absterbenden Pflan¬ zenteile stetig bedeckt, wird die Entstehung von Schwarzerde natürlich wesentlich unterstützt.
Von Wohltm^nn wird der Regur Indiens (S. 173 — 176) als eine äolische Bildung angesehen. »Uber die Staubstürme in Indien« teilt W. J. van Bebber das Folgende mit1): »Der Sandsturm«, sagt Merk, »ist an und für sich sehr unangenehm, und die Luft ist so mit Sand gefüllt, daß eine ägyptische Finster¬ nis seine unmittelbare Folge ist, zu welcher Stunde des Tages er aufaugen mag. Der Tisch ist vielleicht gedeckt, und der Koch ist im Begriff, das Mittagessen zu bringen, in wenigen Minuten aber ist es finster, daß man die Hand vor dem Gesichte nicht sieht, und alles muß eingestellt werden, bis der Sturm ausgetobt hat. Am übelsten daran sind diejenigen, welche sich gerade im Freien befinden, sie müssen bleiben, wo sie sind, und müssen sich vor dem Sande schützen, so gut sie eben können. Ein solcher Sturm dehnt sich über große Strecken aus, und von der Finster¬ nis, die er verursacht, kann man sich eine Vorstellung machen, wenn ich sage, daß wir in den Bergen mittags die Lampe an¬ zünden müssen, wenn ein Sandsturm in einer Entfernung von 20 — 30 Stunden sein Unwesen treibt und, ohne selbst zu uns Vordringen zu können, dichte Staubwolken heraufjagt. Auf der Ebene selbst dringt der feine Staub, den der Sturm in großen Quantitäten mit sich führt, überall ein, nicht nur in gut geschlos¬ sene Zimmer, sondern auch in Koffer und Schränke. Nach einem solchen Sandsturm muß das Haus von oben bis unten gefegt werden, und noch mehr beeilt man sich, durch ein Bad sich von dem lästigen Staube zu reinigen. Hier und da ist der Sandsturm
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b van Bf.bber, Das Klima Indiens. (Zeitschrift »Humboldt« vom Septem¬ ber 1838 S. 292.)
Neue Folge. Heft 55. II.
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II T. Humus-Erden.
von Regen begleitet, er ist dann um so geschätzter, aber auch ohne Reffen ist er willkommen, denn er kühlt die Luft auf einiffe Tage, vielleicht eine Woche ab, und in Indien, besonders im Pandschab, ist alles willkommen, was die glühend heiße Luft ab¬ kühlt und dem Europäer eine erträgliche Existenz gewährt.«
Ich selbst habe zwar bei meiner kurzen Bereisung Canadas im Spätsommer und Herbst 1908 in der Prärie keine wesentlichen Staubtransporte durch den Wind erlebt, aber namentlich im west¬ lichen Teil der Prärie konnte ich auffallend viele große Haufen von pflanzlichen »Steppenläufern« (Wiudsböcken) beobachten, die im Herbst ihre Zweige nach einwärts krümmen und so die Gc- samtptlanzen mehr oder minder kugelförmig und daher rollbar machen und dadurch eine Anpassung von Steppenpflanzen au einen Transport durch den Wind sind. Ihr Vorhandensein in großen Massen, namentlich zu Haufen an geschützteren Stellen zusammen¬ getrieben, weist auf regelmäßige Stürme ihres Wohnortes hin.
Modere r den.
Modererde ist mit Mineralsubstanz gemischter Moder; sic unterscheidet sich demnach von der Mullerde dadurch, daß der Moder noch zum wesentlichen Teil figuriert erhalten ist. Man spricht bequem von Sandmoder (mit viel Moder), Modersand (mit weniger Moder) und dergl. Hierher gehören viele mittelgute Waldböden. Ramann (Mnscr. 1906) erinnert daran, daß, wenn der Gehalt an Moder im Gemisch mit Sand etwa 15 v. H. übersteigt, der Boden den Charakter eines aus Humusstoffen zusammenffe- setzten Bodens gewinnt.
2. Moor- und Bleicherden.
Das Wichtigste bei der Entstehung der Moor- und Bleicherde- Böden ist die geringere und mehr gelegentliche Wasserbewegung.
a) Die Moorerden. — »Moorerde ist ein Gemisch von ver- torften und vermoderten Pflanzenresten mit mineralischen Bestand¬ teilen. Sie bildet sich im Niveau nährstoffreichen Grundwassers, infolgedessen ihr Gehalt an Basen dem des Flachmoortorfes nahe steht. Aus demselben Grunde bildet sie gern den Saum von Mooren, bezw. füllt Senken aus, in denen der Grund wasserstand
III. Humus-Erden.
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zu flach ist, so daß Flachmoortorf sich noch nicht bilden kann. Die Zeit steigenden Grundwassers ist die Zeit der Anhäufung und Vertorfung von Pflanzenresten, die Zeit sinkenden Wasserstandes die der Vermoderung des Torfes und der Anreicherung an Basen.« (Tietze in Potonie, 1. Aufl. S. 79.)
Ein besonders großes Moorerdegebiet kommt bei uns im Spreewald vor. Am Rande desselben, wo das Wasser ruhiger ist, finden oder fanden sich große Moorstrecken mit Flachmoor¬ torf, im ganzen Zentrum aber, wo die vielen Spreearme durch¬ fließen und dadurch etwas bewegtere Verhältnisse schaffen, ist be¬ kanntlich Moorerde vorhanden durch die steten Überschwemmun¬ gen, die anorganisch-mineralischen Detritus mitbringen und mit
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dem sich bildenden Torf vermengen.
N o m e n klato r i sehe s. — Unter Moor-Erde hat man nicht selten dasselbe wie Moder verstanden, z. B. den aus verwittern¬ dem Torf entstehenden Moder, den Staubtorf; so nennt Lorenz (1858 S. 48) Moor-Erde »eine Bodenart, welche aus der Locke¬ rung, Trocknung und Kultur des Torfbodens hervorgegangen ist«, und um auch aus der Neuzeit ein Beispiel zu haben, sei auf Ramann hingewiesen (1905 S. 176), der »Moorerde« alle Formen der Humusböden nennt, die aus stark zersetzten Torfbestandteilen bestehen, daher ohne erkennbare, makroskopisch figuriert erhaltene Teile. Graebner (1904 S. 200) spricht von ihr einfach als von erdig gewordenem Torf. Die Verwitterungsrinde von Torflagern ist überhaupt vielfach als Moorerde bezeichnet worden. Lossen hingegen (1879 S. 1038) definiert die »AViesen- und Moor- erde« als »sandig-humose Bildungen des trocknen und nassen Wiesenlandes (Bruchlandes)«. In der Gartenbau-Literatur (Gaerdt 1886 S. 23) ist Moorerde oft einfach Flachmoor-Torf. (Vergl. hierzu auch unter »Torf mit Beimengungen«.)
b) Die Ort erd en und die Bleicherden, bei welchen die ITumusstoffe niedergeschlagene »Humussäuren« sind, wurden schon S. 42 folg, erwähnt; dasselbe ist zum großen Teil der Fall bei dem Soolband von Torflagern, d. h. der den Torf unmittelbar unterlagernden Schicht z. B. von Sand.
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IV. Moder.
IV. Moder.
Zu dem Bd. I S. 44 Gesagten ist hinzuzufügen, daß Moder das Zwisehenglied zwischen Torf und Mull ist: beim Torf findet gar keine, beim Mull eine vollständige Durch wühlung bezw. Um- lagerung des Humus statt. Moder ist krümelig. Wir haben S. 6 gesehen, daß Torf an der Luft nachschwärzt; man könnte da¬ her auch den Vertorfungsprozeß als einen Ulmifikationsprozeß be¬ zeichnen, der an der Luft dann eine Mumifikation durchmacht. Moder, der sich bei leichterem Luftzutritt bildet, ist daher von vornherein schwarz; man könnte also hier von einer von vorn¬ herein stattfindenden Humifikation sprechen.
Wo eine gänzliche, schnelle Verwesung stattfindet — wie in den meisten Ackerböden — reagiert der Humus schwach alkalisch, wo die Vermoderung einen wesentlichen Anteil bat, neutral. Solch ein Boden heißt Moderboden (Mutter boden1), es wurde auch oft Mullboden gesagt (vergl. jedoch unter Humuserden).
In dem angegebenen Fall ist die Entstehung von Moder di¬ rekt aus den absterbenden Pflanzenteilen angenommen; jedoch entsteht Moder auch aus Torf, wo dieser in Durchlüftungs-Bedin¬ gungen gerät; wo ein Moor z. B. entwässert wird und nun die
l) C. A. Weber (1903 S. 475) meint, daß Mutterboden sprachlich aus Moder¬ boden verdorben sei, jedoch macht C. Nellen (Naturwissenschaftliche Wochen¬ schrift. Jena, vom 8. Mai 1904 S. 512) auf Folgendes aufmerksam. »Die Form »moder« tritt zuerst im 14. Jahrhundert auf in der Bedeutung von Kot, später¬ hin Sumpfland, Moor. Die hochdeutsche Form ist moter, motter, im 17. Jahr¬ hundert und später in der Bedeutung von Schleim, Kot auf der Straße. Nach¬ her tritt dazu der Begriff des »Faulenden«. Es sei hier an unser nhd. »Essig¬ mutter« erinnert. (Vergl. gr. f ivScov = Aas). — Herr Dr. H. Jansen schreibt noch hierzu: Das Wort »Essigmutter« enthält als zweites Element ein volkstüm¬ lich gedeutetes, ursprünglich niederdeutsches Wort für »Schlamm« oder »Schmutz-: »mudder« oder »modder« (woher auch das hochdeutsche »Moder« stammt). In der Literatur findet sich »Essigmutter« erst 1578, um die Mitte des 18. Jahr¬ hunderts dafür auch einfach »Mutter«. Das englische »mother (of vinegar)« hat mit dem Worte mother = Mutter nichts weiter zu tun, als daß es in Form und Aussprache daran angelehnt ist, und zwar aus einer (sprachlich zu erschließen¬ den) älteren Form »mudder«, die auf (mittel) niederländisches »modder« (= mittel¬ niederdeutsches »moder«) zurückgeht. Verwandt damit ist das englische mud«, das von dem (mittel-) niederdeutschen »mudde« stammt.
TV. Moder.
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uboreu Schichten dem Sauerstoff und auch nunmehr grabenden Tieren wie Regen Würmern und den sie begleitenden Maulwürfen zugänglich werden, da verwittert die obere Torflage zu Moder; auch gewisse Pflanzenarten, die sogen. Humuszehrer, können bei ihrer starken Durchwurzelung des Bodens mitwirken oder auch allein die Lockerung besorgen. Darüber ist weiter hinten im Kapitel über die toten Hochmoore nachzulesen. Wir erhalten hierbei Torfmoder, der, wenn er bis zur Staubform zerfallen ist, auch Staubtorf genannt wird, der dabei freilich trotz des Staubens immer noch ca. 40 v. IT. Wasser enthält, wie das auch der für technische Zwecke in Staubform gebrachte Torf, der »Mulltorf« zeigt, ebenso natürlich der gröber zerkleinerte »Streutorf« der Torf-Techniker Torfmoder ist also erdig gewordener, d. h. ver¬ witterter (zerfallener) Torf, die Verwitterungsrinde von Torflagern (die, wenn sie ganz ausgetrocknet sind und der Torf pulverige Beschaffenheit hat, Pulvermoore [Zentral-Moor-Kommission 1881, S. 8] heißen). (Naturgemäß gewöhnlich auf Hochmooren [als »Abraum«], aber infolge der vielfachen Tieferlegungen der Wasserspiegel bei Flußregulierungen auch auf Flachmooren vor¬ kommend heißt der Torfmoder auch B unk erde, Bungererde, zwei Bezeichnungen, die sich jedoch auf die abgestochene oder abzustechende oberste Schicht des Moores beziehen J), weitere Sy-
9 Zu Bunkerde schreibt mir Herr Dr. H. Jansen : Berghaus gibt im »Sprachsatz der Sassen« »Bunk-eerde« fern. = »Deckerde des Torflagers«. Dies leitet sich ab von dem niederdeutschen Zeitwort »bunken« (Frequentativform »bunksen«) = »schlagen, pochen«, auch = »graben«, »hacken«, »stechen«, ins¬ besondere = »abstechen« (bei der Torfgräberei gebraucht in Ostfriesland, im Oldenburgischen usw.). Mit diesem Verbum ist zu vergleichen niederländ. bonken »schlagen«, dän. banke, norWeg. banka, isländ. banga, altschwed. banga, bunga; vom mittelniederl. bonken stammt mittelengl. bonchen, bunchen, woher neuengl. (veraltet) to bunch »schlagen«; ferner mittelnieder¬ deutsch und mittelhochdeutsch b ungen »trommeln«, neuhochdeutsch mundart¬ lich bungen, büng en »schlagen« (auch frequentativ bungein), das in den nordischen Sprachen seinen Vertreter in dem schon erwähnten altschwedischen bunga und banga hat, die ihrerseits wieder an engl, to bung und to bang erinnern: to bung »verprügeln« usw., to bang »schlagen usw. Zu dem alt¬ schwedischen banga, vergl. norweg. banka, dän. banke, isländ. banga, engl, bang, niederdeutsch bangen (frequentativ bangein) »schlagen« (niederländ. bengelen »klingeln«, bengel »Klingel«), mittel- und neuhochdeutsch »Ben-
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IV. Moder.
nouyme sind B a u e r d e , D r all e r d e , D r e 1 1 er d e , PT e i d e e r d e zum Teil (auf Hochmooren), K neckerde, Moor erde zum Teil (s.S. 66), Scli olle rde (z. B. Sprengel in Lesquereux, Übersetzung, 1847 S. 29), Schullerde, sonst allgemein auch Torferde, staubiger H umus, Humuserde.) Sich zersetzender Torf wird, wie gesagt, zu Moder. Dementsprechend sagt Ramann (Manuskript 1906: ich setze »Moder«, wo R. »Mull« sagt): »Moder kann durch verschie¬ dene Einwirkungen aus Torf entstehen und schließt sich an die ver- schiedenen Torfformen an, deren Eigenschaften jedoch wesentlich abgeschwächt in Erscheinung treten, da die physikalische Be¬ schaffenheit der Moderformen einander viel mehr genähert ist als dies bei den Formen des Torfes der Fall ist. Aus einigen Torf¬ arten wird erst durch Einwirkung des Menschen Moder in grö¬ ßerer Ausdehnung gebildet, anderseits bildet sich vielfach Moder, ohne daß eine Torfablagerung vorhergeht«.
Je nach seiner Lagerstätte, Herkunft und Entstehungsweise oder Zusammensetzung kann man unterscheiden Waldmoder, Trockentor f m oder, Alpen - Moder, Flach moor-, Z wi¬ sch en in oor-, Hochmoor-Moder, Nadelholz-, Laub holz-. Buchen- Mod er usw. Eine besondere Moderform ist auch der Hungergras-Moder (Kärrtorf bei Post-Ramann 1888 S. 415. Hungergras-Torf und Hungergras-Mull, Ramann 1888, S. 415 und Ms. 1906): eine unter Hungergräsern zumeist durch die Durchwurzelung mit den diesen Arten (Aera flexuosa, Festuca- Arten usw.) eigentümlichen, zahlreichen, feinen Wurzeln aus Trockentorf gebildete Form, der stark zu diesem selbst hinneigt und auch dort untergebracht werden könnte. Vergl. auch unter »Humuszehrer«. Die angegebenen Ausdrücke verstehen sich von selbst. Nur über den » Alpen-Moder« wäre noch Eingehenderes mitzuteilen.
Ebermayer hat seinerzeit (Forschungen der Agrikultur-Physik
gel«, »Keule«, »Stock« usw. (vergl. »Preßbengel«). — Bunger-Erde die von den »Büngern oder Torfstechern gelieferte Erde leitet sich von dem erwähnten nieder- und hochdeutschen Verbum »bungen« (= banken) ab. — »Bunk-Erde« und »Bunger-Erde«, meint danach ursprünglich und auch noch heute die von einem tortigen Boden oben abgestöchene oder abzustechende Erde.
IV. Moder.
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1887, auch 1888 S. 385) unter dem Namen Alpenhumus (Alpen -Mull Ramann, Ms. 1906) einen Moder beschrieben. Er sagt von ihm: »Es ist eine dunkelschwarze, lockere, fast pulver¬ förmige Erd?, welche nur aus verwesten Pflanzenresten besteht und weder Exkremente von Regenwürmern noch Chitinteile und Insektenexkremente enthält. Regenwürmer kommen nur ganz ver¬ einzelt vor. Dieser Humus ist frei von allen fremden minera¬ lischen Beimengungen und hinterläßt beim Glühen nur soviel Asche, als den humusbildenden Materialien (Moos, Nadeln, Holz) entspricht. Bisweilen bildet er meterdicke Schichten, auf welchen schöne Fichtenbestände oder Mischungen von Fichten, Buchen und Tannen stocken, die ihre Nahrung einzig und allein aus diesem Material beziehen. Im Untergründe finden sich Bruch¬ stücke von Kalk oder Dolomit. Am meisten Ähnlichkeit hat diese Humusart mit zerfallener, schwarzer Moorerde, ist aber weit reicher an Kali und Phosphorsäure als diese1).« Aus dieser Beschreibung
9 Wilh. Graf zu Leiningen hat sich umfangreich über den »Alpenhumus« ausgelassen. (»Über Humusablagerungen in den Kalk-Alpen.« Naturw. Zeitschr. f. Forst- und Landwirtsch. Stuttgart 1908 u. 1909. Vergl. besonders 1909 S. 272 ) Er nennt »Alpenhumus . alle ausgeprägten, für die Alpen charak¬ teristischen Ablagerungen von Humus (mit Ausnahme der Moore) . Die
Hauptmenge des Alpenhumus ist moderartig, doch beobachtet man auch roh- humus- und torfartige Ausbildung«. Wir selbst werden nach obigem unter Alpenmoder den für höhere Gebirge aus den angegebenen Gründen charakte¬ ristischen Moder nennen. Das Wort Alpenhumus kann für uns nur sinngemäß der Humus der Alpen sein, nämlich Moortorf, Trockentorf, Moder usw. der Alpen, d. h. eben der sich auf Alpengeländen vorfindende Humus, wie etwa Tieflands- humus der sich im Tieflande bildende Humus ist, nämlich auch wieder Moor¬ torf, Trockentorf, Moder usw. Nun gerade den Moortorf der Alpen auszunehmen, dafür liegt gar kein triftiger Grund vor, während der Alpenmoder, der generell in seiner Entstehung durch die Besonderheiten bedingt ist, die eben nur Gebirge bieten, infolgedessen eine besondere Hervorkehrung verlangt. Auf den auf den Alpen überhaupt vorkommenden Humus (exkl. des Moortorfs) kam es mir nicht an, sondern auf denjenigen besonderen Humus, auf welchen Ebermayer’s Be¬ schreibung paßt; nur seine Beschreibung, die in die Literatur übergegangen ist, nicht auf event. Modifikationen, die er nachträglich mündlich kundgegeben haben kann. Denn um den Terminus Alpenhumus einordnen zu können, kann nur maßgebend sein, was dieser Autor, der ihn eingeführt hat, über die Begriffsbe¬ stimmung selbst veröffentlicht bat; erst in zweiter Linie käme dann die Er¬ wägung, was man noch dazu rechnen könnte, wenn sich das Bedürfnis ergeben sollte, den Terminus zu bewahren. Zu dem obigen Satz v. Leiningen s ist übrigens noch zu bemerken, daß »Alpenhumus« keine »Ablagerung«, sondern ein Gestein ist.
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IV. Moder.
Ebermayers ergibt sich nichts über die Genesis des Alpenmoders, die auch unbekannt geblieben war1). Ich habe daher die Kalk¬ alpen und zwar den Rätikon besucht, um den Versuch zu machen, die schwebende Frage aufzuklären. Die Auffindung des Gesteins selbst machte keinerlei Schwierigkeiten; es fand sich in kleinen, gelegentlich auch größeren Ansammlungen und entsprach der Be¬ schreibung Ebermayer’s.
Die Genesis des von mir 1906 untersuchten Alpenmodcrs ist nun die folgende2):
Besondere Einflüsse und Verhältnisse können aus dem in den Alpen überall reich vorhandenen Trockentorf die Entstehung bemerkenswerter Moderbildung veranlassen.
Geeignet für eine solche Untersuchung über die Genesis des Alpenmoders fand ich im Rätikon die Strecke zwischen Brand und dem in 1924 m Meereshöhe liegenden, höchstgelegenen, größeren Alpensee, dem Lüner See, und noch weiter hinauf auf dem Wege zum Scesaplanagipfel. Bei der Schattenlaganthütte (auf dem Wege von Brand nach dem Lüner See) findet sich ein Alpenmoderlager, wie es Ebermayer beschrieben hat, bis 3/4 m mächtig mit Wald¬ bestand.
Die Entstehung dieses Moders ist dort die folgende.
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Au hinreichend steilen Hängen drückt der im Winter auf- lagernde Schnee auf die Trockentorfdecke nach abwärts, so daß diese Decke zu kleineren oder größeren Schollen auseinanderreißt; sie erhalten dadurch zwischen sich freie Bahn für die Wirkung der Atmosphärilien. Wo nun vermöge größerer Steilheit des Ge¬ hänges die Schneedecke das Bestreben einer stärkeren Abwärts¬ bewegung aufweist, kippt er die Schollen um, indem sie dabei vielfach um 90° nach abwärts gedreht werden. Die Pflanzendecke einer solchen Scholle ist nunmehr senkrecht zum Gehängewinkel
gerichtet, und der Humus selbst liegt dann ganz zu Tage. Die dadurch bedingte noch leichtere Zugänglichkeit des Humus für die
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Atmosphärilien ist die Ursache für seine Umarbeitung zu Moder
ß Vgl. z. B. Bamann’s Bodenkunde, 2. Auflage 1905 S. 156 und 177.
2) Potoniü, Über rezente alloclithone Humusbildnngen. (Sitzungsberichte d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin 1908.)
IV. Moder.
7
3
und für seine leichtere Angreifbarkeit durch herabfließeudes und rieselndes Wasser; daher denn auch, die häufigen Andeutungen von vertragenem Humus (Schlämmhumus) in den geeigneten Ge¬ bieten. Vielfach findet sich solcher Schlämmhumus, und zwar speziell Schlämmoder, z. B. auf dem Wege zwischen dem Liiner See und einem kleinen See vor dem Scesaplanagipfel. Sogar auf tieferliegenden Schneefeldern kann man solchen aus Trockentorf hervorgegangenen und nicht nur durch Wasser transportierten, sondern auch durch Wind dislozierten Alpenmoder beobachten. Solche Schneefelder sind dann mit einem schwarzschmutzigen An¬ fluge behaftet, der, wie es scheint, hier und da mit Kryokonit verwechselt worden ist. Ein schönes Beispiel bot mir Ende August 1906 das als Miniaturgletscher entwickelte Schneefeld, das in den kleinen See mündet, der sich bei der toten Alpe vor dem Scesaplanagipfel befindet1).
Der Schneedruck des nächsten Winters arbeitet iu dem an ge- gebenen Sinne fort, d. li. schiebt und überkippt die Humusschollen weiter talabwärts. An tieferen, ruhigeren, weniger steilen Stellen häuft sich der wandernde Humus durch Ausschlämmung und Wasser-
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transport, vermengt mit Gesteinsblöcken, zum großen Teil Stein¬ schlag, an und bildet Lager, die einen Hochwald zu tragen ver¬ mögen. Daß der Humus solcher Lager kein typischer Torf wer¬ den kann, ist klar; denn die Atmosphärilien haben hier weit¬ gehenden Zugang, und Torf fordert für seine Entstehung mög-
n o S 1 o Ö
liebsten Abschluß derselben.
Ist ein Hang so steil, daß er einer Vegetation, die Trocken¬ torf bildet, nicht oder nur untergeordnet, etwa an Treppenvor¬ sprüngen, Halt verleiht, so ist Alpenmoder am Fuße eines solchen Hanges nicht oder nur andeutungsweise zu finden.
Der Alpenmoder ist pulverig, krümelig, er kann aber auch bei dichter Packung von torfähnlichem Habitus sein; er ist dann zwar dicht, aber zerfällt außerordentlich leicht. Die in dem Moder vorkommenden Steine charakterisieren sich durch ihre frische und
]) Der kleine Gletscher kalbte gerade mit Getöse in der sonst erhabenen Stille und Einsamkeit als ich dort war: für mich eine kostbare Erinnerung!
74
IV. Moder.
eckigkantige Beschaffenheit, wie gesagt. als Steinschlag, als
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frisches Bruchmaterial.
Regenwürmer müssen im Alpenmoder der Alpen in der Tat selten sein, obgleich sie eigentlich in demselben auftreten müßten : ich selbst habe keine beobachtet: vielleicht ist die Durchschuitts- temperatur in den Regionen, in denen Alpenmoder auftritt, für diese Würmer zu kalt. In tieferen Lagen wie im Alpeu- moder des Schwarzwaldes und dort auch in den Ubergangsbil- düngen zum Trockentorf habe ich denn auch gelegentlich Regen- würmer gefunden.
So entsteht denn aus Trockentorf durch weitere Zersetzung und durch Verschleppung des gebildeten Materials typischer Moder in hohen Lagen ohne jede Mitwirkung von Regenwürmern, wie das in gleicherweise der Fall ist bei der Entstehung von Torfmoder aus Moortorf nach der Entwässerung von Mooren auf ihrer Oberfläche, der dann aber meist sehr bald eine Besiedelung mit Regenwürmeru erfährt.
Wo die Bodenbewegung durch die periodischen Einflüsse des W assers zu lebhaft ist — und das ist in den Alpen meist der Fall — , vermag sich natürlich kein Alpenmoder zu halten, wenig¬ stens nicht in mächtigeren Ablagerungen. Diese finden sich daher wesentlich an dem Fuß der Hänge, an den Grenzen zwischen Talsole und Steilhängen, wie das schon erwähnte Vorkommen bei der Schattenlaganthtitte. Der in dem Moder stockende Wald selbst erzeugt durch seine Streu Trockentorf und etwas (autoch- thonen) Moder, so daß zwar der Schlämmoder den bei weitem überwiegenden Teil ausmacht, jedoch noch anderes hinzukommt. In diesem Alpenmoder sind also vorhanden: a) Allockthone Be¬ standteile: 1. Schlämmoder, 2. Steinschlag; b) Autochthone Be¬ standteile: 3. Waldtrockentorf, 4. Waldmoder.
D i e T a t s a c h e , daß es g e r a d e d i e K a 1 kal p e n s in d , die durch solche Ablagerungen ausgezeichnet sind, steht aber mit dem Kalk an sich in keinem Zusammenhänge, etwa durch irgend einen chemischen Einfluß, den dieser auf die Bildung des Moders ausüben möchte. Wie denn auch in den Kalkalpen auf dem Moder bezw. Trockentorf kalkfliehende Ptlau-
IV. Moder.
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zenarten wachsen, vorausgesetzt, daß die Moder- bezw. Trocken¬ torfschicht eine genügende Isolierschicht bildet. Findet sich doch unter solchen Bedingungen selbst Rhododendron ferrugineum in den Kalkalpen. Das Vorkommen von reichlicherem Alpenmoder gerade in den Kalkalpen erklärt sich vielmehr dadurch, daß bei der vergleichsweise leichten \ erwitterbarkeit des Kalkes Steil¬ hänge und dadurch bewegte Verhältnisse hier ständig sind, also für eine Bewegung des Trockentorfes, seine Umbildung zu Moder und für die Verschleppung desselben die günstigsten Bedingun¬ gen herrschen.
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Ist dem so, so muß unter Umständen auch in Ge¬ birgen aus anderem G e s t e i n s m a t e r i a 1 — etwa Granit oder Sandstein — »Alpenmoder« entstehen können, wenn auch meist nicht in so auffälliger Entwicklung wie in Kalk- gebirgen. In der Tat ist dies der Fall, wie mich Beobachtungen im Buntsandsteingebiet des Schwarzwaldes lehrten, wo sich viel¬ fach geringere Mengen von »Alpenmoder« derselben Entstehung aus Trockentorf — wenn auch hier natürlich nicht von Alpen¬ pflanzen — vorfinden. In Süd-Canada habe ich »Alpenmoder« vielfach gefunden. — Als weiteres Beispiel sei das Bodetal bei Thale im Harz genannt. Alle unsere Gebirge zeigen ähnliches. Die Vegetationsdecke hat z. B. im Bodetal keine Buhe, sich zu schließen und die Hänge dicht zu überziehen ;N immer wieder wird sie auf den Steilhängen durch die Bewegung der Gesteinsbrocken auseinandergerissen bezw. überschüttet. Der gebildete Humus tritt zu Tage und wird vom Wasser zu Tal gebracht, nur daß im Bodetal unten kein Platz für die Ablagerung einer Alpen¬ moderbildung vorhanden ist.
Die geschilderte Entstehung des Alpenmoders ist freilich ein extremer Fall. Das Wesentliche, Prinzipielle ist die Aufarbeitung von Trockentorf, mag nun dabei ein größerer oder kleinerer Transport stattgefunden haben. Ja unter Umständen — und sie sind häufig genug — erfolgt die Aufarbeitung an Ort und Stelle, dort nämlich, wo Bedingungen für eine Trockentorf- Bildung vorhanden sind unter klimatischen Verhältnissen, die eine stete Lockerung des in Bildung begriffenen Materials bedingen. Das
IN. Moder.
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ist besonders dort der Fall, wo ein Gefrieren und wieder Auf¬ tauen, wo Nässe und Trockenheit häufig und stark wechseln: hier werden die in Bildung begriffenen Trockentorf-Decken in einem fort gelockert, und wir erhalten so direkt einen Alpenmoder, der auch wohl durch die angegebenen Bedingungen so schnell aus dem sich bildenden Humus hervorgehen kann, daß es zu einer Trockentorfbildung, für die sonst die Verhältnisse günstig sind, erst gar nicht kommt. In diesem Fall fehlt freilich die von Eber- mayer hervorgehobene Mächtigkeit.
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S y n o n y m e. — Für Aloderformcn sagt Ramann (Als.) M u 1 1- erden, Torferden. Das Wort Mjoder (Weber 1903 S. 475) ist auch früher in ähnlichem Sinne gebraucht worden wie hier; bei Klöden (1835 S. 7) z. B. ist »Aloder« nur ein Bestandteil dessen, was wir jetzt Moder nennen; unter Mullstreu versteht Vater 1903 S. 139 und 140 den neuen Pflauzenabfall, der in Jahresfrist verwest, ähnlich ist es mit dem Streumull (vergl. z. B. Weinbauer 1900 S. 461), der junger, man kann sagen, noch unfertiger Moder ist; wir würden einfach und sofort verständlich unreifer Aloder sagen; milder oder süßer Humus im en¬ geren Sinne vieler Autoren ; Mulm1); reifer Humus (Grebe 1886 S. 161). P. E. Müller (1887 S. 8 ff.) spricht von Buchen¬ mull usw. , Ramann von Wald mu 11, Trockentorfmull, H o c h m o o r - AI u 1 1 , Zwischenmoor muH, F 1 a c h m o o r - AI u 1 1 , Bruch-Mull, Bruchtorfmull, ferner (Post-Ram. 1888 S. 416 ff.) von Moos-, Flechten-, Nadelholz-, Laubholz-, Feld- usw. Humus (s. z. B. Post-Ramann 1888 S. 416 ff1.). Wir wür¬ den anstatt Mull »Aloder« sagen.
*) Herr Prof. H. VArEK-Tharandt schreibt mir bezüglich »Mulm«:
ln den »allgemeinen Wirtschaftsregeln 1904 (für die König]. Sachs. Staatsforstbeamten) heißt es in No. 14: Das Überstreuen der Saat- und Pflanzenbeete mit Mulm — verrotteter Nadelstreu — ist regelmäßig vorzunehmen und unter Umständen zu wiederholen, letzteres nament¬ lich dann, wenn bei geringem Boden der Mulm in den Boden hinein¬ gewaschen worden ist«. Diese Wirtschaftsregeln sind auf dem Ver¬ ordnungswege erlassen und außerdem noch, wie alle forstlichen Ver¬ ordnungen im Tharandter Forstlichen Jahrbuch veröffentlicht worden (54. Band S. 235 ff.; »Mulm« auf S. 238).«
Y. Torf.
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V. Torf.
Bei der Vertorfung kann (vergl. Bd. 1 S. 9 ff., 23) erst Ver¬ wesung und Vermoderung statthaben, nach dem Luftabschluß des Materials findet »Fäulnis« statt, die bei der Entstellung des Torfs in erster Linie in Betracht kommt. — Es entsteht Torf.
Synonyme sind 1. Turf z. B. bei J. H. Degner 1760 S. 7, der das Wort Torf (Turf) vom holländischen Dorveen = dürrer Sumpf ableitet. Das englische Wort »turf« ist nicht Torf, son¬ dern bedeutet Grassoden, Rasen; die englisch redenden Nationen sagen besonders turf für Grasfluren, z. B. that is a beautiful turf
— das ist eine schöne Grasflur. Nur gelegentlich (Davis, Peat 1907 S. 125/126) ist turf (engl.) = Torf; in Schottland wird lokal getrockneter Torf turf genannt. Die Römer haben kein Wort für Torf; mittelalterliche Gelehrte haben aber aus dem deutschen Turf das lateinische Wort turfa, auch turfurn gebildet. In der latein¬ schreibenden Zeit, bei Beginn der neuzeitlichen Wissenschaft findet man öfter cespes bituminosus. Heinrich Hagen meint1), cespes inflam m abilis würde ein besserer Ausdruck sein. — 2. Pflanzentorf von Cancrin 1789 S. 70 u. 72. — 3. Roh- huinus im weitesten Sinne. — 4. Gelegentlich, namentlich in älteren Schriften findet sich auch der Ausdruck kohliger Humus.
— 5. Vegetabilischer Humus, P. E. Müller 1887 S. 232.
Wir unterscheiden: a) Trockentorf, der wesentlich auf dem Trocknen und b) Moortorf, der wesentlich im Wasser entsteht2).
1. Trocken torf.
Wo auf dem Trocknen die Streu-Produktion so groß ist, daß mit Rücksicht auf die am Orte vorhandenen Zersetzungs-
J) Hagen, Physisck-Ckymiscke Betrachtungen über den Torf in Preußen. Königsberg 1761 S. 3.
•) Es wäre unzweckmäßig für b) Wasser torf zu sagen, da auck die allochtkonen Torfe im Wasser entsteken, diese allocktkonen Torfe aber von den oben gemeinten autockthonen Torfen zu trennen sind. Nur beide zusammen kann man bei einer anderen Disposition des Stoffes, als ick sie liier gebe, als Wasser¬ torfe den Trockentorfen gegenüberstellen.
78
V. Torf.
Bedingungen nicht alles verwest und aucli eine Vermischung mit
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dem Untergründe, mit dem anorganisch-mineralischen Boden nicht stattfindet, da muß sich über diesem naturgemäß eine Humus¬ decke bilden. Auch reich Wurzeln erzeugende Pflanzen (wie
Calluna vulgaris , Fagus silcatica u. dergl.) unterstützen die Trockeu- torf-Eutstehung. Gegenüber der Mullerde ist für die Entstehung
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von Trockentorf ein gewisser Grad von Trockenheit und infolge- dessen Tiermangel vonnöten oder nur letzterer, wodurch die stän¬ dige Vermischung mit dem Untergründe unterbleibt. Ein sehr
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Figur 7.
Eichenbusch mit Mullerde unter seiner Krone,
ringsum jedoch Trocken torf (T), darunter Bleichsand (B), darunter Ortstein (0).
Nach P. E. Müller.
instruktives Beispiel aus Dänemark gibt P. E. Müller (Humus¬ formen 1887 S. 144) in der hier in unserer Fig. 7 reproduzierten Abbildung eines Eichengebüsches. Unter dem Schirm findet sich im wesentlichen die Mullerdeflora. Ein reiches, u. a. auch gra¬ bendes und wühlendes Tierleben bevölkerte den Busch und den Boden, der aus Mullerde bestand. Genau mit der Krone des Busches wie abgeschnitten aber war auch die Mullerde zu Ende und die mit Calluna vulgaris bestandene Bodenoberfläche war mit einer Trockentorf- Decke besetzt (hier unter dieser Decke Bleich¬ sand und dann Ortstein).
V. Torf.
7‘)
Die im Trockeutorf vorhandenen Tiere, meist nur mikrosko¬ pisch klein, Fig. 8, sind keine, die den Boden mit dem Unter- grunde intensiv zu vermischen vermöchten. Rhizopoden sind häufig; große Tiere, wie Regenwürmer, Maulwürfe usw. fehlen vollständig.
Trotzdem spielt das Tierreich unter Umständen doch eine be¬ sondere Rolle bei der Entstehung gewisser Trockentorfe, aber dann nicht durch eine wühlende Tätigkeit, sondern es sind dann ober¬ irdisch lebende Tiere, die in Betracht kommen. Schon P. E.
Figur 8.
Organismen aus Buchentrockentorf des Brieselang westlich Berlin.
1, 2, 3, 4 und 5 in
150
3 in
220
h = Humus.
Müller (1887 S. 138) vermutet bei einer Eichentrockentorf- Schicht, »daß diese Schicht als der Exkrementhaufen von dem ganzen reichen, oberirdischen Tierleben des Gehölzes aufgefaßt werden muß, und daß das fallende Laub oben auf der Erde ver¬ zehrt wird, worauf die Entleerungen zu einer gärenden Masse von Pilzinycelien verschiedener Art verbunden werden.« Ich füge hinzu, daß in Jahren mit Nonnen-Plage (Ocneria ( Liparis ) mo- nacha ), der Boden streckenweise mehrere cm hoch mit ihrem Kot bedeckt sein kann, wie ich das wiederholt in Ostpreußen sah, wo
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80
V. Torf.
in Zwischenmooren des Memeldeltas (die obere Sehicht von Zwi¬ schenmooren ist oft mehr oder minder trockentorfartig) und im Frisching der Fichteutrockentorf in seiner Eigenart durch den Raupenkot selbstverständlich mitbestimmt wird.
Der typische Trockentorf, Fig. 9, ist dichtfaserig-filzig; er zer¬ setzt sich unter Einwirkung von Sonne und Luft erst nach längerer
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Figur 9.
Trockentorf in zusammenhängender Decke an einem Abhang
einer Sandgrube herabhängend.
Ibenliorster Forst westlich des ßredszuller Hochmoors in Ostpreußen (1907).
Zeit und ist daher vom Moortorf oft kaum zu trennen. Jedoch ist immerhin zu beachten, daß der Trockentorf dadurch, daß er, auf dem Trocknen entstehend, leicht ausgelaugt wird, nur die der Verwesung besonders widerstehenden, festen Bestandteile zurück¬ hält und sich hierdurch von dem echten Torfe unterscheidet, der auch die leichter verwesliehen und die verflüssigten Bestandteile
Y. Torf.
81
io großen Massen zurückhält. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß auf dem Trocknen entstehender Torf gelegentlich seine Feuch¬ tigkeit durch vollständiges Austrocknen abgeben kann. Durch das Trocknen gewinnt aber jeder Torf die Eigenschaft, daß vor¬ her lösungsfähig gewesene Humusstoffe für reines Wasser unlös¬ lich werden; auch hierdurch wird die Besonderheit solcher Trocken¬ torfe mitbestimmt sein. Durch die allmählich vor sieb gehende dichte Packung des Materials entstehen Fäulnis-Produkte, die den Trockentorf wie den echten Torf erhaltungsfähig machen, d. h. nachträgliche Verwesungsprozesse erschweren. Es ist also zu be¬ rücksichtigen, daß der Trockentorf nur die schwer zersetzbaren Bestandteile als solche erkennbar erhält, während der Moortorf oft genug auch zartere Gewebe-Partien erhalten zeigt, und daß ferner bei der Bildung des Trockentorfes auch Vermoderungs-Prozesse nutspielen, sofern die Örtlichkeiten, an denen er sich bildet, eine mehr oder weniger weitgehende Auslaugung desselben zulassen, während der Moortorf insonderheit die auslaugbaren Humusstoffe bewahrt oder doch nur zum Teil an durchfließendes Wasser abgibt.
Trockentorf nimmt Wasser oft nur sehr langsam auf, so daß der darunter liegende Boden auch nach einem starken Regen noch trocken sein kann. Manche Sorten sind ziemlich wasserundurch¬ lässig, wie insbesondere der Fichtentrockentorf, wohl außer der besonders dichten Packung hier mitbedingt durch den Harzgehalt.
Je nach den durch die Entstehung von Kaustobiolith sich ändernden Boden-Bedingungen können dieselben Flächen natürlich nacheinander verschiedene Humusformen tragen, so ist u. a. folgen¬ des Profil möglich (P. E. Müller 1887 S. 46 u. S. 50):
4. Hochmoortorf,
3. Heide trockentorf,
2. Buchen tro ckentorf,
1. Mullerde.
Neuerdings sagt Ramann (Ms. 1906): »Trockentorf (Waldtorf?). Auf Mineralboden aus Resten von Bäumen und Sträuchern und anderen, seltener von Cyperaceen (nur im Norden und Hochgebirge) gebildet. Chemisch charakterisiert durch reich-
Neue Folge. Heft 55. II. 6
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V. Torf.
liehen Gehalt au Stickstoff und Phosphorsäure, geringen an Kalk und Kali (entspricht in der Zusammensetzung etwa kalkarmem Flachmoortorf). — Nach den Pflanzenarten kann man trennen: Buchen-, Fichten-, Kiefern-, H e i d e - , II e i s e r - ( Einpetrum , Betula nana , Vaccinien usw.), Azaleen- ( Azalea procumbem ), Car ex curvula - Trockentorf us w. «
Oie dicht in Polstern und Rasen aufwachsenden Pflanzen haben die Neigung Trockentorf zu bilden in hervorragendem Maße.
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Aber nicht die stoffliche Zusammensetzung solcher Arten ist es, die sie zur Humusbildung prädestiniert, sondern nur die Tatsache, daß sie durch ihren Aufbau die Wirkung der Atmosphärilien auf den Boden durch die Bildung einer dichten Decke mehr oder minder abzuhalten vermögen. Unter den subglazialen und den Alpenpflanzen sind polster- und rasenbildende Arten bekanntlich eine gewöhnliche Erscheinung und daher ebenso die Bildung von Trockentorf aus diesen Arten dort, wo die Bedingungen für eine Humusbildung günstige sind. An solchen Örtlichkeiten bilden auch solche Pflanzenarten Trockentorf, die auch gern in großen Beständen und unter Umständen vorwiegend dort leben, wo die Bedingungen zur Humusbildung fehlen. Das ist z. B. der Fall mit Nardus stricta , die auf dem St. Gotthard, an Stellen des Riesengebirgs-Kammes uncl anderwärts Trockentorf erzeugt, be¬ sonders zwischen den »roches moutonnees« des St. Gotthards und auch auf diesen. Es beteiligen sich hier die verschiedensten Pflanzen an der Trockentorf bildung, wie Carex curvula und Goodenoughii , Salix , Eriophorum Scheuchzeri. Man kann ihn als Alpentrockentorf bezeichnen, wenn man Wert darauf legt, aus¬ zudrücken, daß dieser Trockentorf in den Alpen u. a. wesentlich aus Alpenpflanzenarten hervorgegangen ist. Noch weitergehend könnte man sprechen und spricht man von Carex c«mm/n-Trocken- torf usw., wenn einmal ein ausschließlicher oder fast ausschlie߬ licher Bestand einer bestimmten Art vorhanden ist. Der Florist wird aus solchen Bezeichnungen vielfach entnehmen können, wo¬ her der Trockentorf stammt, z. B. wenn er Carex firma- Trocken¬ torf hört, daß es sich um einen Trockentorf der Kalkalpen handelt
V. Torf.
83
und wenn von Carex curvula- Trockeutorf die Kode ist, daß dieser seine Lagerstätte auf Urgestein gehabt haben dürfte. Aber eine weitere Bedeutung haben solche Zusätze zu dem Begriffe »Trocken¬ torf« im allgemeinen nicht, zumal da der auf die Eigenart der Bodenbeschaffenheit gebotene Wink nicht unbedingt stets zu ent¬ nehmen ist; denn wenn auch die betreffenden Arten freilich meist in ihrem Vorkommen auf die genannteu Gesteine beschränkt sind, so ist es doch nicht immer sicher der Fall. So kommt, wie schon S. 75 gesagt, das das Urgebirge liebende Rhododendron ferrugineum auch gern auf Humus vor neben dem kalkholden Rhododendron hir -
sutum in den Kalkalpeu, wenn nur hier eine genügende Humuslage gebildet worden ist, wie z. B. am Lüner See, wo ich übrigens auch den Bastard zwischen beiden Arten fand. Es ist dabei wohl zu be¬ achten, daß wir über die Eigenschaften, die die einzelnen Pflanzen¬ arten dem Trockentorf geben, meist gar nicht unterrichtet sind, und dann ist noch zu berücksichtigen, daß durchaus nicht gesagt ist, daß ein Vorkommen z. B. von Carex curvula auf einem Trockentorf diesen nun als aus der genannten Pflanze entstanden
ergibt, denn es kann, wie angedeutet, die Vegetation gewechselt haben. Es hat also wenig Wert, von Carex curvula -, Eriophorum alpinum- usw. Trockentorf zu sprechen. Vor der Hand — bis sich die Notwendigkeit weiterer Gliederung ergibt — würde es daher in der Tat genügen, von Alpentrockentorf zu reden.
Als Beispiel eines besonders ausgesprochenen speziellen Trockentorfes sei der Empetrum - Trockentorf mit zahlreichen Empetrum- Samen aus dem subarktischen Gebiet der Halbinsel Kola genannt, den Kihlman (1890 S. 7) beschreibt. Er kommt an der Küste »an ganz windoffenen, meistens trocknen oder sogar sehr trocknen Standorten vor; er hat eine schwarzbraune Farbe, ist sehr bröcklig; und enthält regelmäßig; große Meng;en Sand (wohl vom Winde herbeigeführt)«. Die Mächtigkeit war gewöhn¬ lich 1 — 3 dm. Bestanden ist er entweder mit dichtbüschelig;em Empetrum , gewöhnlich auch mit spärlichen Strauchflechten (haupt¬ sächlich Alectorien) oder er ist mit Lecanora tartarea überzogen. Im Subglazial-Gebiet sind noch die Dicranum- und dort bis zu
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Y. Torf.
uns noch Hypnum Sch reberi- Trocken torf e wegen ihrer Reinheit und wie alle Moostorfe besonderen Eigenschaften besonders zu er¬ wähnen.
Die Flora unseres Buchenwald-Trockentorfes nennt P. E. Müller (Humusformen 1887 S. 21 — 22) im Gegensatz zur Asperula odorata- Vegetation der Mullerdeböden Trientalis-Yege ta- tion. Die Pflanzen-Gemeinschaft ist in der Tat von derjenigen typischer Mullerdeböden sehr abweichend, aber natürlich gibt es alle Übergänge zwischen beiden. Vor allem gehören zur Buchen¬ wald “Trockentorf-Flora viele Moose ( Hypnum triquetrum , Poly- trichum formosum , Dicranum scoparium , Leucobryum , auch Hyp¬ num cupressiforme und Ceratodon purpur eus) , ferner Aira flexuosa und gern Maianthemum bifolium , Potentilla Tormentilla , Vaccinium myrtillus , Melampyrum pratense.
Im Urwald bei Unterlüß (Lüneburger Heide) mit einer ca. !/4 m mächtigen Trockentorf-Decke, bestanden mit Quercus Robur und Picea excelsa , auch Pinus silvestris , finden sich ebenfalls viele Moose ( Hypnaceen usw., Leucobryum glaucum ,), Pteris aquilina, Vaccinium myrtillus.
Die Flora der Trockentorf-Gelände gleicht stets mehr oder minder derjenigen der Zwischenmoore.
Herr Dr. P. Graebner gibt noch den folgenden Zusatz: »Ähnlich wie beim Moortorf wären auch beim Trockentorf nach dem Erhaltungszustände 2 Formen zu unterscheiden.«
a. »Die eine Form besteht aus einer noch deutlich in allen Teilen strukturierten Masse, in der noch fast alle Pflanzenteile deutlich erkennbar sind. Hierzu gehört zumeist der Molinia-, Buchen-, Eichen- usw. Trocken torf, öfter auch (besonders in den regenärmeren Gebieten überwiegend) der Fichten-, Kiefern- usw. Trockentorf. — Diese strukturierte Form ver¬ west, in günstige Bedingungen gebracht, verhältnismäßig leicht.«
ß. »Die zweite Form, der speckige Rohhumus, ist der der offenen Heide eigentümliche, der naß schmierig, trocken filzig wird. Bei unmittelbarer Einwirkung von Sonne und Regen, also nament¬ lich auf Kahlschlagflächen kann sich aber jeder andere Trocken-
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V. Torf.
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torf, der der Eiche und Buche, besonders leicht aber der Fichte und Kiefer in die ungünstige Form verwandeln. Die Form verwest in günstige Bedingungen gebracht verhältnismäßig sehr schwer.« Namentlich diese zweite Form kommt dem Moortorf oder, besser gesagt, vielen Moortorfen schon recht nahe, ja in vielen Fällen ist ein Unterschied überhaupt nicht vorhanden, so daß die Bezeich¬ nung Rohhumus im Gegensatz zu Torf (Moortorf) sehr schlecht ist und der treffliche P. E. Müller (Humusformen 1887) hat denn auch den Rohhumus zweckentsprechend und gebührend ein¬ fach Torf genannt. Man ist aber selbst diesem nur gelegentlich gefolgt: wie lange wird es also noch dauern, daß eine bessere Terminologie Eingang findet!? (Vergl. auch unter Synonyme: Rohhumus.)
Die üblichen Begriffsbestimmungen für Trockentorf einerseits und Moortorf andererseits erleiden zumal durch gewisse Tatsachen, die in Canada auffälliger zu beobachten sind als bei uns, einen ziemlichen Stoß. Die Gegensätzlichkeit zwischen beiden Torfarten ist nicht in dem Maße vorhanden, wie sie uns nach europäischen Erfahrungen unter unseren Kultur -Verhältnissen erscheint. In Canada sind noch fließendste Übergänge zwischen beiden zu be¬ obachten, so daß man (bei der ohnedies geringen Unterschiedlich¬ keit der beiden Torfgruppen) in Canada an vielen Stellen um so zweifelhafter ist, ob man noch von Trockentörf oder schon von Moortorf reden soll. Trockentorf entsteht auf dem Trocknen und tritt nur in schwachen Lagen auf, Moortorf hingegen unter Wasser — sei dieses tellurisches oder atmosphärisches — und ist oft sehr mächtig; allein in Canada liegen sehr ausgedehnte und mächtige Moore im Sommer in ihrer oberen Lage regelmäßig trocken und dann ist ja oft bei uns und sonst eine gebildete Trockentorf-Lage die Grundlage zur Entstehung eines Hochmoores. Fast überall ist der Boden der canadischen Wälder durch eine mehr oder min¬ der mächtige Schicht von reinem Humus (Trockentorf) bedeckt als das Resultat der nicht vollständigen Zersetzung der abgestor¬ benen Pflanzenteile. Dieser Trockentorf kann dicht und mehr oder minder verfilzt sein, etwa wie derjenige aus unserer Lüne-
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V. Torf.
burger Heide, und dann bildet er z. B. an abstürzenden Ufern — wie an den Arrow Lakes des Columbia River — überhängende Decken, die, wie auch unsere Fig. 9, diese Beschaffenheit ver¬ anschaulichen, oder aber er ist mehr pulverig-bröcklig, besonders wenn gefallenes Holz, das vollständig zu »Mulm« wird, reichlichere Beiträge geliefert hat. So war es am Ribbon Creek südlich Morley (Alta), wo überdies viele Nadeln den Humus vermehren helfen und eine dichte Hypnaceen-Decke den schwarzen Torf-Boden bekleidet.
Nur weil die Extreme verschieden und dabei ungemein häufig sind, ist eine Scheidung in Trocken- und Moortorf geboten. Die Grenzen aber zwischen Trocken- und Moortorf sind ungemein verschwimmende, und es wäre schon deshalb — wie gesagt — sehr mißlich, diese so nahe verwandten Kaustobiolithe, daß ihre Unterscheidung vielfach überhaupt inopportun ist, nicht beide Torf zu nennen, sondern das eine Rohhumus und das andere (Moor-) Torf: denn man wird vielfach einfach Torf sagen wollen, wenn man eine Zuweisung zu der einen oder der anderen Kate¬ gorie vermeiden will, seTs deshalb, weil sie für einen Fall gleich¬ gültig, sei’s, weil sie unmöglich ist. So sieht man denn auch auf geologischen Karten, gelegentlich z. B. offiziellen geologischen Karten der Gegend von Reitzenhain im sächsischen Erzgebirge Trockentorf-Gelände als Moore kartiert. Der Geologe konnte also die vorhandene Humus- Decke nicht von Moortorf unterscheiden. Man kann wohl für bestimmte Zwecke festsetzen: man wolle ein Gelände mit einer Torf-Lage von bestimmter Mächtigkeit noch nicht als Moor kartieren, aber für allgemeine (wissenschaftliche) Gesichtspunkte darf dieses Vorgehen nicht maßgebend sein. Ebenso könnte man aus Bequemlichkeits-Rücksichten für eine spe¬ zielle Praxis (Land- und Forstwirtschaft) einen weniger mäch¬ tigen Torf, wenn es sich nicht gerade um typischen Moortorf handelt, sondern um einen Torf, der etwa dem trockentorf-ähn¬ lichen Zwischen moortorf ähnlich ist, den weniger mächtigen Torf als Trockentorf bezeichnen, aber rein wissenschaftlich — d. h. nicht beschränkt durch spezielle praktische Anlässe, sondern ganz allgemein beurteilt — ist es nicht angängig, ein Gestein so oder
V. Torf.
87
so zu benennen je nach der Mächtigkeit seiner Ablagerung: Gold bleibt Gold, gleichgültig ob viel oder wenig davon da ist. D. h. : wo Trocken- und Moortorf typische Unterschiede zeigen, bleiben sie natürlich Trocken- bezw. Moortorfe, gleichgültig in wie mäch¬ tiger Ablagerung sie vorhanden sind.
Zur Synonymie. — Trockentorf (Ramann erweitert 1893 S. 232) oder Rohhumus-. Ramann hatte unterschieden Roh- humus im engeren Sinne 1893 S. 232 (Moder-Torf; mull¬ artiger Torf P. E. Müllers, 1887; Moder-Streu Vaters, 1903 S. 144), soweit der Trockentorf noch verwesungsfähig ist. Ist jedoch infolge der dichten Lagerung des Materials der Fäul¬ nis-Prozeß vorherrschend, der ein sauer reagierendes, aseptisches Material liefert, das, unter Verwesungs-Bedingungen gebracht, sich äußerst schwer zersetzt, so spricht Ramann 1. c. von Trocken¬ torf. — Da der Trockentorf auf dem Trocknen, also auf Böden über dem Grundwasserspiegel entsteht, nannte ihn P. E. Müller 1887 S. 57 H ochbodento rf. Spitzenberg (vergl. Vater, 1904 S. 20, 1905 S. 56) nannte ihn Auflagehumus. Rohhumus im gewöhnlichsten Sinne, namentlich in dem der Forstleute. Der Ausdruck ist ursprünglich ein rein speziell praktischer: Rohhumus soll bedeuten ein Humus, der insofern roh, unbearbeitet ist, als er für die Forstkultur ungenügend zersetzt ist, im Gegensatz zum reifen Humus der Forstleute, der genügend zersetzt ist, um dem Pflanzenwuchs nicht zu schaden (Grebe 1886 S. 161); so sprechen die Forstleute (besonders der Eisenacher Schule) auch von rohem Waldhumus (= Hagerhumus, auch kohliger Humus), der durch Sonne und Wind (z. B. auf kahl geschlagenen Stellen) »ausgehagert« und in der Verwesung unterbrochen ist (Grebe 1886 S. 163). Auch das Synonym für Rohhumus Taubhumus (Faserhumus) ist derselben Initiative entsprungen: er ist taub, wertlos für Kulturen; dasselbe ist es mit Wildhumus als Ge¬ gensatz zu mildem Humus (Grebe 1886 S. 163 — 165). Weitere Synonyme sind saurer Humus und adstringierender Humus, wenn viel Gerbstoff in ihm vorhanden. — Wir können von Wiesen-, Wald-, Steppen-, Moos-, Heide-, M o 1 i u i a - ,
88
V. Torf,
Buchen- usw. (letzterer = Buchentorf, P. E. Müller 1887 S. 21 ff.) Trockentorf sprechen (Synonyme sind z. B. Moos-, Heide-, Molinia - Rohhumus oder -Torf). — Bei P. E. Müller finden sich noch (1887 S. 249 — 250) folgende Angaben. »Hohlerde« wird von G. Sarauw vom nördlichsten Teil der Horns- Harde auf Seeland angegeben als eine torfartige Masse (»2 — 3«, bis zu »10 — 12 Zoll« dick), die ein dichtes Geflecht von Heidekrautwurzeln enthält. Her Name kommt »von dem hohlen Ton, den dieselbe gibt, wenn man namentlich bei trocknem, war¬ mem Wetter darüber hingeht, fährt oder reitet«. (Sarauw.) M aar nennen dänische Heidebewohner »die Heidekruste« des Bodens, die sie zum Brennen benutzen1).
2. Moortorf.
Her treffende Terminus Moortorf stammt von P. E. Müller (1887 S. 57 u. 232), der auch gelegentlich im Gegensatz zum Trockentorf echter Torf (1. c. S. 66) sagt. Wenn man von Torf schlechtweg (i. e. S.) spricht, so meint man gewöhnlich Moortorf. Weitere Bezeichnungen sind saurer Humus; im Böhmerwalde Autorf (Schreiber 1904 S. 158); Mooskoth, ein alter bayerischer Ausdruck.
Abgesehen von den Übergangsbildungen zum Moder und be¬ sonderen Fällen — z. B. scheint Tropentorf gewöhnlich breiig zu sein — ist Moortorf dicht und nicht krümelig; er hält im allge¬ meinen zusammen, wenn er auch oft genug so durchtränkt und weit zersetzt sein kann, daß- er fließt und Moorausbrüche (siehe dort) ermöglicht; aber im Gegensatz zum Faulschlamm (vergl. Fig. 17 S. 137 Bd. I) steht doch Torf, wenn er durch Bruck ein¬ seitig hervorgepreßt wird, oft genug als Sattel über die Horizon¬ tale des umgebenden Geländes hervorragend fest, Fig. 10, wäh- rend rezenter Sapropelit nur dann eine gewisse Standfestigkeit be¬ sitzt, wenn er reicher an anorganisch-mineralischen Zutaten ist.
Moortorf kann recht homogen aussehen. Bei weitgehender
J) Das Wort Trockentorf wird auch von den Torftechnikern und zwar hier für künstlich getrockneten Moortorf gebraucht.
Y. Torf.
89
Figur 10.
Durch eine Dammschüttung
(von der links etwas zu sehen ist) sattelförmig aufgepreßtes Torflager.
Sattel längs der Sattellinie aufgespalten.
Großes Fenn (jetziger Stadtpark) der Stadt Schöneberg bei Berlin.
(November 1908.)
Figur 11.
Torfstich bei Ückermünde am Stettiner Haff.
Die Stauwand aus Torf (S) hält das Wasser (W) des bereits ausgegrabenen Moor¬ teiles von der Stelle, die gegenwärtig ausgegraben wird, gut zurück (1906).
90
V. Turf.
Zersetzung, Lösung und daun wieder Niederschlag von Humus- stoffen namentlich in den untersten Partien eines Torflagers, werden dort die noch als solche erkennbaren Pflanzenteilchen ein¬ geschlossen. Je weiter vorgeschritten die Zersetzung ist, um so dichter ist der Moortorf, bis er schließlich fast undurchlässig für Wasser ist. Darauf gründet sich eine Abbaumethode von reifem Moortorf, die diese relative Undurchlässigkeit gut veranschaulicht: Fig. 11.
Jedoch sind unreife und halbreife Torfe, namentlich Hoch¬ moortorfe, durch das vorhandene Sphagnum weit durchlässiger (vergl. Abschnitt über Trockenhorizonte). Solche Torfe lassen daher eine größere Wasserzirkulation zu als die dichten, reifen Torfe.
Der Torf erscheint oft geschichtet, teils weil die übereinander wachsenden Pflanzenbestände eine verschiedene Zusammensetzung besaßen, insbesondere aber dann, wenn das Torfmoor nachträglich etwa durch Saud oder Ton überdeckt wurde und dadurch eine Pressung erfolgte, die den Torf senkrecht zur Druckrichtung mehr oder minder deutlich schieferte.
Zuweilen reagieren Moortorf-Proben sauer, zuweilen alkalisch, zuweilen neutral, ja Proben aus einem und demselben Moor und von ein und derselben Stelle (das bezieht sich besonders auf Flachmoortorf) können einmal z. B. im Sommer sauer, zu einer anderen Jahreszeit, z. B. im ersten Frühjahr und Winter alkalisch reagieren. Alkalische Torfproben können ferner durch Liegen an der Luft sauer werden und umgekehrt. In welchem Umfang in diesen Fällen Pflanzensäure oder CO2, die durch Zersetzung ent¬ steht, oder auch Mineral-Säuren eine Rolle spielen, wäre noch näher zu untersuchen (vergl. das über »Plumussäuren« Gesagte); wo saure Proben schnell alkalisch oder neutral werden, handelte es sich in einem untersuchten Falle um CO2. In manchen Fällen werden die Proben sauer durch entstandene H2S04(aus Schwefel¬ eisen durch Oxydation an der Luft); gibt es doch Moore, die einen sehr hohen Prozentsatz von Schwefelkies enthalten, der sich an der Luft natürlich oxydiert.
Schon aus diesen Andeutungen und bei Berücksichtigung des
V. Turf.
91
hinzukommenden Staubes oder von fließendem Wasser eingeführten anorganisch-mineralischen Sedimentes ergibt sich, daß die chemische Zusammensetzung der Torfe sehr variabel ist. Es können hier nur wenige Beispiele geboten werden. Es seien, um eiue Über¬ sicht zu bieten, neuere von Viktor Zailer und Leopold Wilk1) gebotene Analysen benutzt.
Phragmites communis -Torfe , die die Autoren untersuchten (wohl Phragmitetum- Torfe), enthielten in der Trockensubstanz 12,85 — 14,65 v. H. Asche und 87,15 — 85,35 v. H. organische Sub¬ stanz. Die Elementarzusammensetzung der organischen Substanz war 60,67 — 55,24 v. H. C, 5,34-6,00 v. H. H,
2,16 — 2,18 v. H. N und 31,83 — 36,58 v. H. O.
»Erlenholztorf« besaß 1,60 v. H. Asche, 98,40 v. H. orga¬ nische Substanz, diese enthielt
60,62 v. H. C, 4,88 v. H. H, 1,39 v. H. N und 33,11 v. H. O.
» Scheuchzeria-H ori« (wohl Scheuchzerietum- Torf) enthielt: 3,80 v. II. Asche, 96,20 v. H. organische Substanz und diese 56,99 v. H. C, 6,18 v. H. H, 2,72 v. H. N uud 34,11 v. H. O.
y>Sphagnum-Tori« (wohl Sphagnetum- Torf) enthielt
Asche |
organ. Substanz |
in der organischen Subst |
anz : |
|||
0 |
4L |
N |
0 |
|||
unreifer. . . . |
1,93 |
98,07 |
49,55 |
5,22 |
0,90 |
44,33 |
wenig zersetzter . |
0,64 |
99,36 |
50,57 |
5,31 |
0,80 |
43,32 |
halbreifer . . . |
3,21 |
96,79 |
57,39 |
5 64 |
1,40' |
35,57 |
reirer .... |
3,92 |
96,08 |
62,26 |
5,13 |
0,91 |
31,70 |
Moortorf kann zwar 80 — 90, ja über 90 v. H. Wasser ent¬ halten und ein großer Teil desselben wird auch in lufttrocknem Zustande festgehalten (40 und mehr v. H.). Das Schwindmaß beim Entwässern eines Moores ist daher bedeutend (natürlich auch beim Trocknen von Torfziegeln): es kann z. B. in einem eben eutwäs-
9 Zailek und Wilk, Uber den Einfluß der Pflanzenkonstituenten auf die physik. u. cbem. Eigenschaften des Torfes. (Zeit sehr. f. Moorkultur u. Torfver¬ wertung 1907.)
/
92
V. Torf.
serten Hochmoor von ca. 2^2 m Mächtigkeit im Laufe eines ein¬ zigen Sommers bis fast 1J 2 m zusammensacken.
Sapropel- (Saprokoll-) Torfe resp. To r f-S aprop eie (- Saprokolle) nennen wir solche Kaustobiolithe, die sowohl in auffälliger Weise Sapropel- als auch Torf-Bestandteile enthalten. — Hierher gehört offenbar der Pechtorf von Cancrin’s 1789 S. 70, den er zu seinem »Bergtorf« rechnet.
1. Streifen- Torfe nenne ich (entsprechend dem Ausdruck Streifen-Kohle) diejenigen Sapropel-Torfe , bei denen schwache Saprokoll- und Torf-Lagen mit einander abwechseln ; sie entstehen durch periodische Sapropel-Bildung auf dem Torfmoor eventl. durch Sapropel-Teppich-Bildung.
2. Die Sumpftorfe (Moorhumus Grebe 1886 S. 165, Morasttorf) wie z. B. die Röhricht-Torfe sind naturgemäß mehr oder minder ausgesprochene Sapropel- (Saprokoll-) Torfe; ihre Struktur ist aber, da die Sapropel- mit der Torf- Bildung gleich¬ zeitig einhergeht, nicht die von Streifen-Torfen. — Der klibbe- rigte Darg Eiselens 1802 S. 28, 30 (klibbrige, klebrige Darg) gehört zum Teil hierher, ebenso der Modertorf und Moortorf von Cancrin's 1789 S. 74 und 132, ferner der Muddetorf Weber’ s von 1905 usw. Ein reich mit Sapropel vermischter Sumpftorf ist der Flytorf (d. h. fliehender Torf) v. Post’s in Schweden, nach v. Post wesentlich aus Schwimmpflanzen ent¬ stehend. Da die Flachmoor-Sümpfe Zersetzungsorte vieler Tiere und Algen sind, stinkt der Sumpftorf oft, daher auch der Name Stinktorf (wie ein Phragmitetum-Torf des Hiinmelmoors nörd¬ lich Altona, östlich Elmshorn in Schleswig-Holstein, Fischer- Benzon 1891 S. 6; vergl. auch Weber 1903 S. 468). Der Leuchttorf (dänisch Lyseklyn) und zwar der d unkle Le ucht- torf (mit helleuchtender, anhaltender Flamme brennend) ist eben¬ falls ein Sapropel- resp. Saprokoll-Torf. Eine von Früh (1885 S. 716) untersuchte Probe war gebildet aus Uar&r-Resten, anderen Landpflanzen und Algen, auch waren Spongillen-Nadeln vorhauden usw. (Uber den »hellen Leuchttorf« vergl. unter den Liptobio- lithen.) — Bei der Entstehungsweise des Sumpftorfes enthält er
Y. Torf.
93
besonders dann mehr oder minder viel anorganisches Sediment, wenn er eine Küsten-Bildung au einem offenen Wasser ist (Strand¬ torf, v. Beroldingen 1792 I S. 42); so versteht man unter Darg besonders den verunreinigten, in der Gezeiteuzone oder in Überschwemmungsgebieten von Flüssen entstandenen, häufigen Phragmitetum-Torf. An den Nordseeküsten ist ein schlickiger oder sandiger Arundinetumtorf sehr häufig; er ist ein Brack¬ wasser-Torf, entstanden aus Rohrschilf-Beständen, zwischen denen ein besonders reiches Tier- und Algenleben vorhanden war, so daß besonders solcher Torf bei dem reichlichen Vorhandensein von S in den Salzen des Brackwassers durch Schwefelwasserstoff- Entwicklung einen unangenehmen Geruch besitzt. Er enthält dementsprechend besonders viel Schwefeleisen. Bei dem Besuch des Möwenbruchs bei Rossitten auf der Kurischen Nehrung ist mir durch die ungemein zahlreichen Möwen, die in dem genann¬ ten Sumpfmoor leben, besonders eindringlich geworden, wie stark unter Umständen in dem entstehenden Torf die Beimengung von tierischen Exkrementen, in unserem Fall Möwen-Guano, sein kann.
Weiteres unter Röhrichttorfe weiter hinten.
Je nach dem Grade der Zersetzung wird man den Moortorf unterscheiden in
a. Unreifen Torf (Rohtorf Weber 1904 S. 4; früher, 1903 S. 480 nannte Weber das, was wir vorn als Trockentorf an¬ gegeben haben, Rohtorf), der erst undeutlich vertorfter Torf ist. (Techniker [z. B. Hausding 1904 S. 291] bezeichnen als Rohtorf nicht, wie wir das tun wollen, noch rohen [unfertigen] Torf, sondern jeden noch nicht technisch verarbeiteten Torf.)
ß. Halbreifen Torf, der sehr häufig ist.
y. Reifen Torf oder Specktorf (Pechtorf, z. B. bei Wiegmann 1837 S. 58; Torfkohle, Senft 1894 S. 23) ist ein sehr verbreitetes Ubergangsglied zum Dopplerit, der sich von diesem nur dadurch unterscheidet, daß der Specktorf noch sehr viele figurierte Bestandteile enthält. Der Specktorf ist durch hohe Reife plastisch gewordener Torf (Früh 1898 S. 222), der »die untere dichte und schwarze Torfschicht« (Wiegmann 1. c.) eines
94
V. Torf.
Lagers bildet. Marin ortorf (Früh) ist auf Schnitten mit Dopplerit- Flecken versehener Torf, in welchem Dopplerit also nesterweise auftritt. Gelegentlich wird speziell der reife Torf Moortorf ge¬ nannt (z. B. Grüner 1896 S. 243); unseren Begriff von Moortorf vergl. S. 77 u. 88.
d\ Kohlentorf. Geologisch ältere Torfe, z. B. interglaziale, haben namentlich gern dann braunkohligen Habitus und sind auch nicht selten für Braunkohle gehalten worden, wenn sie durch nachträgliche Bedeckung mit einem Sediment gepreßt und auch geschiefert worden sind (» Schiefer kohlen« von Dürnten, Wetzikon im Kanton Zürich, von Utznach im Kanton St. Gallen und bei Mörschwil am Bodensee). Wir wollen solche eigen- artigen, Kohlen ähnlichen Torfe als Kohlentorfe bezeichnen.
Die Moortorfe enthalten sehr oft noch gut bestimmbare, figu- rierte, größere Pflanzenreste. Um diese in genügender Vollstän¬ digkeit zu erhalten, ist die zu untersuchende Torfprobe methodisch zu behandeln, besonders ist sie zu schlämmen1). Im Felde lassen sich diesbezügliche Untersuchungen nur ganz roh ausführen, aber eine gewisse Auskunft erhält man schon durch einfaches Schütteln
0 Über die Technik des Torfsch lamm en s stellt mir Herr Dr. J. Stollek freundlickst die folgende Literatur zusammen. Eine gute Zusammen¬ stellung findet sich in Keilhack, Praktische Geologie, 2. Auflage. Eine durch Abbildungen unterstützte Anleitung zum Bestimmen der Pflanzenteile (nament¬ lich Früchte usw., überhaupt Phanerogamenreste) gibt: 1. Andersson, Studier öfver Finlands Torfmossar; Helsingfors 1898 (leider schwedisch geschrieben, mit kurzem deutschen Auszug); ferner 2. Müller, G. und Weber, C. A., Über eine frühdiluviale und vorglaziale Flora bei Lüneburg. Abhandl. k. Pr. Geol. Lao- desanst. 1904 (mit Tafeln). 3. Reid, Cl., and M. Reid, The fossil Flora of Tegelen-sur-Mease, near Venloo, in the Provinz of Limburg (mit 3 Tafeln). Ver¬ handelingen der kon. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam. II. Sektion Amsterdam, September 1907. 4. Reid, Cl., and M. Reid, On the preglacial
Flora of Britain. Linnean Society’s Journal, Botany, vol. XXXVIII. 1908 (mit 5 Tafeln). Es ist aber dringend zu raten, fügt Herr Dr. Stoller mit Recht hinzu, die Bestimmungen nicht nur auf Abbildungen zu gründen, sondern unter allen Umständen rezentes Vergleichsmaterial zu Rate zu ziehen. Eine diesbezüg¬ liche Sammlung legt man am besten selbst an, da erfahrungsgemäß in den meisten Herbarien der Museen und Institute Samen und Früchte der Pflanzen entweder fehlen oder, in unreifem Zustand gesammelt, als Vergleichsmaterial nicht brauchbar sind.
V. Torf.
95
mit Wasser in einem Gläschen (s. unter Moos-Torfe), besonders leicht ist es dann natürlich, z. B. ein Urteil über eine eventl. Sandbeimengung zu gewinnen, die sich separiert unten ablagert.
Je nach den auffälligeren Pflanzen oder Pflanzenteilen, die an der Zusammensetzung des Torfes teilnehmen oder ihn wesent¬ lich oder ganz zusammensetzen, werden die Namen der betreffen¬ den Pflanzen benutzt, um die Torfarten zu kennzeichnen. Es empfiehlt sich zu unterscheiden, ob es sich 1. nur um zwar cha¬ rakteristische Bestandteile im Torf handelt, die, da sie sich figu¬ riert besser erhalten haben, auffällig geblieben sind, die dabei aber nur beschränkter zu dem Torf-Material beigetragen haben, oder ob 2. die Bestandteile, die die Namengebung veranlassen, aus reinen oder reineren Vegetations-Beständen hervorgegangen sind. Ich habe vorgeschlagen, die Torfe zweitgenannter Art durch Be¬ nutzung der Ausdrücke mit der Endsilbe -etum von denen erst¬ genannter Art zu unterscheiden. Als Erläuterung hierzu sei daran erinnert, daß Arundo phragmites auch auf Moor-Flächen als Neben¬ bestandteil vorkommt, so daß solche Strecken keine Phragmiteten sind, daß sich jedoch Arundo phragmites-^x\\\7.ome in den Torfen sehr lange gut halten. Ein solcher Torf würde nach dem Vor¬ schlag nicht Phragmitetum - Torf, sondern — wenn man den Torf nach Arundo phragmites benennen will — Phragmites - Torf heißen.
Dieser Vorschlag ist hier und da nicht verstanden worden1). So sagen Viktor Zailer und Leopold Wilk2), es sei untun¬ lich, meinem Vorschläge zu folgen, »nach welchem z. B. ein aus reinen oder reineren Phragmites- Beständen gebildeter Torf mit Phragmitetumtorf, ein Torf aber, in welchem nur einzelne gut er¬ haltene Phragmites-Ühizoine Vorkommen, als Phragmites-Tovi be¬ zeichnet wird, ohne Rücksicht darauf, ob die Konstituenten Carex- und Hypnum- Arten usw. waren. In diesem Falle kommt dem Phragmites nur die Rolle einer charakteristischen Begleitpflanze
') Ich bemerke aber, daß ich mich ganz klar ausgedrückt habe.
■) 1. c. 1907 Sonderabdruck S. 12, in einer Anmerkung.
96
V. Torf.
zu, die auf die Bezeichnung des Torfes keinen Torf ausüben kann«. Gerade der in dem letzten Satz ausgesprochene Grund ist die Ursache meines Vorschlages. Mit anderen Worten: damit eben in Zukunft nicht mehr — wie das bisher oft geschieht! — ein Torf, dessen Nebenkonstituenten auffällig auftreten oder zu¬ fällig noch bestimmbar erhalten sind und nur deshalb dem Torf oft den Namen geben, mit einem Torf zusammengeworfen wird, der wesentlich aus den erkennbaren, bestimmbaren Konstituenten hervorgegangen ist, ist durchaus zu unterscheiden zwischen einem Torf, der z. B. neben Arundo wesentlich Materialien anderer Her¬ kunft enthält, von einem solchen, der aus der Am^do-Pflanzen- gemeinschaft, aus einem Arundinetum hervorgegangen ist. Beide Torfsorten wurden eben früher allermeist Arundo- resp. Phrag- mites- Torf genannt, also sehr Verschiedenes mit einem und dem¬ selben Namen belegt. Deshalb ist es notwendig, diejenigen Torfe, die aus einem Arundinetum usw. hervorgegangen sind, auch als Ar und inetum-Torf zu bezeichnen.
Wir hätten also als Beispiele:
1. Moos-Torfe:
a) Weißmoos-Torf (Weiß-Torf zum Teil) ist beson¬ ders Sphagnetum-Torf, während Sph agnum -To rt“ nur bedeutet, daß ein Torf Sphagnum enthält, aber nicht aus einem Sphagnetum hervorgegangen zu sein braucht; ersterer auch Bleich m oostorf (Vorschlag von C. A. Weber 1908 S. 89), auch Torfmoostorf genannt. — Ferner gehört hierher der Leucobryetum - Tor f. Manche, z. B. Forstkreise unterscheiden Weißmoose (Sphagnaceen) und Graumoose (wohin Leucobryum ge¬ hört).
Die Sphagnetum-Torfe sind besonders geeignet zu demon¬ strieren, daß noch eine sehr viel weitergehende Einteilung der Torfe leicht möglich wäre, denn die Sphagnetum-Torfe unter¬ scheiden sich in unreifem Zustande besonders auffällig je nach der Spezies resp. Hauptspezies, die ihn zusammensetzt. Manche Arten z. B. sind dadurch ausgezeichnet, daß sich ihre Stengel im Torf
Y. Torf.
auffällig
erhalten, Fig. 12, was bei anderen nicht der Fall
97
ist
usw.
b) ß rau ninoos -Torf (Braun -Torf zum Teil), z. ß. Hy pne tum- Torf. Po ly tri che tu m-Torf. Dicra- netum-Torf.
Figur 12.
Sphagnetum=Torf in nat. Größe von dem Hochmoor von Augstumal.
Nach freundlicher Bestimmung von Herrn C. Waunstokf handelt es sich um
Sphagnum recurvum var. amblgplujllum.
Die Moostorfe sind besonders schwer zersetzbar, sie ulmifi- zieren bei weitem nicht so schnell wie die anderen Torfe, die sehr viel schneller reifen, z. B. Erlenmoortorf, der sehr schnell nacli der Ablagerung der ihn bildenden Pflanzenmaterialien vollständiger humifiziert. Noch in reifem Sphagnetumtorf kann man meist viele einzelne Sphagnum- Blätter unter dem Mikroskop finden. Wenn man eine Probe in einem Rohrgläsclien mit Wasser schüttelt, um
7
Neue Folge, Heft 55. 11.
V. Torf.
98
ihn zu schlämmen, sind Blätter meist schon mit der Lupe oben über dem Wasser an der Glaswand haftend zu bemerken.
Die Moostorfe werden in sehr altem Zustande schließlich schwarz (zu schwarzem Torf = klibberigter [klebriger] Hagetorf, Eiselen 1802 S. 28). Moorbewohner NW.-Deutsch- lands nennen in gewissen Torfprofilen mit 3 verschieden farbigen Torf lagen den Sphagnetum-Torf der oberen Lage weißen, den mittleren braunen (Hagetorf, Eiselen 1802 S. 28; brauner Torf heißt auch Fuchstorf; in anderen Gegenden — z. B. Tri¬ angel — heißt aber der unreife Sphagnetum-Torf Fuchstorf), den unteren schwarzen Torf (de Luc, deutsche Übers. II 1782 S. 324, C. A. Weber 1899 S. 17). — Sphagnetum-Torf ist ein Hochmoortorf, Polytricketum-Torf ebenfalls, Leucobryetum-Torf ist ein Zwischenmoor-Torf oder aus Trockentorf hervorge^angen, Hypnetum-Torf ist im allgemeinen ein Flachmoortorf, kommt aber in allen Moor-Arten vor. Dicranetum-Torf ist (Hochmoor-) Tun¬ dra-Torf. — Die hervorragende Beständigkeit macht die Moostorfe den meisten anderen Isotiermitteln o-enenüber überleben. Die Mein- branen von Sphagnum und anderen Moosen enthalten außer einer Gerbsäure reichlich »Sphagnol«, einen phenolartigen Stoff’. Sphag- nol isügiftig, so daß u. a. Sphagnetum-Torf ein treffliches Des- infiziens ist. Versuche über das Verhalten der Cholera- und Ty¬ phusbakterien im Torfmull haben C. Fraenkel und Klipstein 1 ) in der Absicht angestellt, den angeblichen konservierenden Ein¬ fluß des Torfmulls auf Infektionsstoffe, und damit dessen Ver¬ wendbarkeit für die Erhaltung von menschlichen Abfalistoffen für
-m
die Landwirtschaft einer Prüfung zu unterziehen. Es tritt durchschnittlich schon nach 2^2? höchstens nach 4—5 Stunden eine sichere Abtötung, nach ^2 — 1 Stunde eine erhebliche Schwä¬ chung von Reinkulturen der Kommabazillen ein. Auf Typhus¬ bazillen übte Torfmull nur einen schwach desinfizierenden Ein¬ fluß. Wegen der gleichen Eigenschaft ist wiederholt empfohlen worden, Obst mit festerem Fleisch in Torfmull aufzubewahren
l) Fraenkel und Kliestein, Zeitsckr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 05 S. 333, 1893.
V. Torf.
99
(PaSSERINI und Marchi, Bull. Agricoltura 1890) oder ihn zum Obstversand nach den Tropen zu verwenden (G. Schweinfürth, Deutsche Kolonialzeitung vom 18. Aug. 1906). — Bei der locke¬ ren Beschaffenheit unreifer und halbreifer Moostorfe ist er als Brennmaterial weniger geschätzt, da er zu schnell wegbrennt und nicht vorhält (daher heißt z. B. der Hypnetum-Torf in Pommern
Figur 13.
Phragmitetum= (Arundinetum) = Torf in nat. Größe mit Rhizomen
von Arundo phragmites.
foscher [d. h. schlechter] Torf, im Gegensatz zum ordentlichen Dauerbrenntorf, dem »schieren« Torf). Zum Anmachen von Feuer ist jedoch Moostorf bei seiner leichten Brennbarkeit sehr geeignet. Wie der weitere Begriff Sphagnum- Torf zu dem engeren Sphagnetum-Torf, so verhalten sich natürlich Hypnum -, Polytri- chum- , Dicranum- Torf zu Uypnetum-, Polytrichetuin-, Dicrane- tum- usw. usw. Torfen.
100
Y. Torf.
2. Röhricht-Torfe, z. B.:
a) Phragmitetum-Torf, Fig. 13, A r u n d i n e tu m -T o r f, Rohr-, Rohrschilf-Torf; der Ausdruck Schilf- Torf ist zwar besonders beliebt, jedoch auch besonders mißverständlich, da Schilf bei uns eigentlich Glyceria ist; oft verunreinigt (s. unten unter Sumpftorf) und dann gewöhnlich Darry (holländisch, Beroldingen I S. 42), Darg (ostfriesisch), Dark (ob vom Worte Dreck herzuleiten? Siehe C. A. Weber 1900 S. 21), Darcli- torf (z. B. Klöden 1836 S. 34), Derrie (franzö¬ sisch), Spier (Norder-Dithmarschen), Terrig (friesisch) genannt (^Phragmites- Torf (Arundo- T orf) bedeutet wieder nur, daß ein Torf Phragmites enthält).
b) Equisetetu m -Torf resp. Equisetum- Torf.
Die Röhricht-Torfe sind Sumpftorfe. Als Röhrichttorfe dürfen nur die Torfe bezeichnet werden, die aus typischen Röhrichten hervorgegangen sind, so daß Phragmites- und Equisetum- Torf kein Röhricht-Torf zu sein braucht, nämlich dann, wenn Phrag¬ mites- und Equisetum - Teile nur als Nebenbestandteile auftreten, die Torfe also nicht aus echten Röhrichten dieser Pflanzen her- vorgegaugen sind. Phragmitcs-Yovi kann demnach auch Zwisehen-
moor-Torf sein.
Der Phragmitetum-Torf, der Darg, erinnert unter den Moor¬ torfen besonders oft an Sapropelit durch seine Schieferung, ver¬ anlaßt durch den Druck von überlagerndem Sediment, z. B. Schlick wie in Ostfriesland, wo das bedeckende Alluvium Zeeklei heißt (vergl. Früh 1885 S. 682). Dieser Torf findet sich sehr oft unter dem Sand der Dünen um das Watt eingelagert. »Die Dargschichten, welche am Watt liegen, sind eine Fortsetzung der Torflager im Marschboden des Festlandes, wie sich dies bei Deich¬ bauten und bei Deichbrüchen überall gezeigt hat«. (Prestel
1870 S. 10.)
3. Gras- Torfe wie z. B. Moliniet um -Torf resp. Moli - n i n-Tor f.
Molinietuni - Torf ist Zwischenmoor - Torf oder ein Trockentorf.
Y. Torf.
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4. Cyperaceen-Torfe, z. B. :
a) Eriophoretum-Torf resp. Er i op h o r um - (Woll¬ gras-) Torf. Eriophoretum-Torf wird volkstümlich oft bei seiner Zähigkeit, die ihn für den Spaten hinderlich macht, mit zähem Fleisch verglichen, daher die platt¬ deutschen Bezeichnungen dieses Torfes als Bullen- fleesch (Bullenfleisch) und auch Koofleesch (Kuh¬ fleisch). Fetziger Torf — auch Fetzentorf — ist eine weitere Bezeichnung, ferner Schwarzköpfe (so in Agilla nördl. Fabian) für die aus den Profilen her¬ aussehenden dunklen, schweifförmigen Scheidenbüschel von Eriophorum , die sich ja eben so leicht erhalten. Luge hörte ich in den Neu-Platendorfer Torfwerken in der Lüneburger Heide. Eriophorumtorfteile oder -lagen heißen in Mecklenburg Splittlager usw.
b) Carice tum -Torf resp. Car ex- (Seggen-) Torf.
c) Rhynchospore tum - Torf (Agtorf der Schweden, z. B. Y. Posts; Ag = Rhynchospora ) resp. Rhyn¬ chospora- Torf. — Rhynchosporetum-Torf istZwischen- moor-Torf.
d) Cladi etum -Torf (Schneidentorf), von Cladium Mariscus- Beständen .
Eriophoretum-Torf kann sein Hochmoortorf, z. B. vom Erio¬ phorum vaginatum (d. h. wenn aus einem Vagin etum hervor¬ gegangen; solcher Torf heißt nach Schröter 1904 S. 88 Lindbast, franz. Pelvoux) oder (Höhenhochmoor-Torf von E. alpinum usw. Caricetum-Torf ist Flachmoor-Torf (aus Magnocariceten) oder Zwischenmoor-Torf (aus Parvocariceteu). Scirpus-(caespitosus ) Torf ist Hochmoortorf.
5. Scheuchzeri etu m - Torf resp. Scheu clizeria - To rjf (Beisentorf Schreiber 1907 S. 77). Scheuchzerietum- Torf ist Zwischen moortorf, Scheuchzeria-Ho r f ist aber sehr oft Hochmoortorf. Scheuchzeria wächst an sehr nassen, infolgedessen etwas nahrungsreicheren Stellen, namentlich von Hochmooren. »Die Moorleute verwechseln diesen
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Y. Torf.
Torf gewöhnlich mit dem Phragmitetumtorf« , »wozu sie eine oberflächliche Ähnlichkeit der freilich sehr viel schmaleren Rhizome verleitet, und nennen ihn auf dem Augstumalmoore Schilftorf, in Nord west-Deutschland Schelptorf (im Papenberger Moore S trohd ar g)« 1). Wer freilich die beiden in Betracht kommenden Pflanzen-
Figur 14.
Sehe uchzerietum- Torf in nat. Größe mit vielen Rhizomen von Scheuchzeria palustris und auch Samen davon.
Aus dem Torflager nördl. Triangel in der Lüneburger Heide.
arten kennt oder die Torfe auch nur einmal gesehen und miteinander verglichen hat — vergl. unsere Fig. 13 und 14 — , dem ist eine Verwechselung unmöglich.
6. Ericaceen- (Heide-) Torf, z. B. Callunetum-Torf resp. Ca l lu n a - T o r f, E r i c e t u m - T o r f resp. Er ica- Torf.
*) Webek, Hochmoore von Augstumal 1902 S. 213.
V. Torf.
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Callunetum- und Ericetum-Torfe sind Torfe toter Hoch- moore auch Trockentorfe; sie können aber auch nester¬ weise in mehr oder minder dünnen Lagen in Sphagnetum- torf eingelagert sein, da Ericaceen, besonders Ccilluna auf den Bülten der Seeklima-Hochmoore reichlicher vorhanden sein können. Solche Bulte sind dann als sehr flach-linsen¬ förmige dunkle Lagen im Sphagnetumtorf vorhanden (»Bultl agen«). Der Torf solcher Bultlagen heißt bei Triangel Bleitorf wegen der beim Schneiden mehr blanken Beschaffenheit und seiner gegenüber dem Sphag¬ netumtorf größeren Schwere.
7. Betuletum- Torf resp. Betula-Torf (Birken-Torf). Betuletum-Torf ist bei uns Zwischenmoor-Torf.
8. Pi ne tum- Torf resp. Pinus- Torf (Kiefern -Torf).
Pinetum* Torf kann sein Zwischenmoor-Torf, wenn das Pinetum aus Pinus silvestris , oder Höhenhochmoor-Torf, wenn das Pinetum ein Pinus montana-Bestnodi war, in der Schweiz P. m. var. uncinata , daher »Uncinato-Pinetum« (Schröter 1904 S. 84).
usw. usw.
Auf die von den Pflanzenbestandteilen sich herleitende Be¬ schaffenheit des Torfes beziehen sich auch die Ausdrücke Bast- torf, Fasertorf, Filztorf, Holztorf, Radicellentorf (Früh 1904 S. 172), Stroh torf, Wurzeltorf (Röttertorf) (Fischer¬ ström 1781, nach Keferstein 1826 S. 35) (bestehend wesentlich aus dem Wurzelgeflecht besonders von Cyperaceen, Gramineen und Röhrichtpflanzen), Schwamm torf (wie z. B. der unreife Sphagnetum- Torf).
Je nach seiner Herkunft von verschiedenen Moorarten sind zu unterscheiden:
1. Sumpftorf, wenn es sich um Verlandungstorf handelt, der aus Sumpfpflanzen entsteht. Über diesen wurde schon auf S. 92 das Nötige gesagt.
2. Flachmoor-Torf (Fenn-Torf, z. B. bei Lossen 1879 S. 1038, Grünlands moortorf, Nieder moortorf, Ra¬ se nt orf, Moorerde mancher Gärtner [Gaerdt 1886 S. 23],
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V. Torf.
W iesentorf usw.) In österreichischer Literatur liest man gelegent¬ lich Untertorf, weil Flachmoortorf oft Hochmoortorf unterlagert. (Fischer-Benzon 1891 S. 39 z. B. setzt synonym Rasentorf, Wiesentorf und Sumpftorf; es ist aber zweckmäßiger, den Aus¬ druck Sumpftorf für den aus den Verlandungspflanzen entstehenden Torf zu reservieren.)
Chemisches: M. Fleischer hatte als Flachmoore Gelände angenommen1), deren Torf nicht unter 2,5 v. H. Kalkgehalt sinkt. Hamann Ms. 1906 nimmt an: 8 — -10 v. H. Mineralstoff, 4 v. H. CaO, 0,25 v. H. P2O5, 0,1 v. II. K2O. Dr. Baumann gibt mir an, Flach¬ moore »sind kalkreiche Moore, die in ihrer Trockensubstanz min¬ destens 2,5 v. H. Kalk (CaO) enthalten; sie sind nach erfolgter Entwässerung ärmer an Wasser und reicher an Trockensubstanz als die Hochmoore. Im Kubikmeter führen sie mindestens 200 kg Trockensubstanz, so daß der Kalkgehalt pro Kubikmeter mindestens 5 kg beträgt«. Inwieweit hier und im folgenden Gelände nach der B